Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kaltgeschminkt (German Edition)

Kaltgeschminkt (German Edition)

Titel: Kaltgeschminkt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
Vom Netzwerk:
gegenübersitzen. Rachelle hat ihre bleichen Arme abwehrend verschränkt, James maskiert seine Nervosität mit betont lässigem Lümmeln im Sessel. Mit der Fußspitze malt er Kringel vor sich in den Teppich. Die beiden hellen Augenpaare tragen kühl ein Gefecht aus, das leider nicht gewonnen werden kann.
    Um nicht in das gesellige Beisammen zu platzen, räuspere ich mich kurz. Rachelles erleichterter Blick erschüttert etwas in mir. Plötzlich fühle ich mich, als hätte ich sie mit Absicht versetzt. James nickt mir ernst zu und bietet mir mit einer Handbewegung an, Platz zu nehmen. Sorgfältig wähle ich einen Platz, von dem aus ich beide im Auge behalten kann. Noch immer wortlos bietet mir James ein Glas an. Diesmal schlage ich es aus. Fragend hebt er eine Braue, ich antworte mit dem Runzeln der meinen. Er legt den Kopf in den Nacken und kippt den Alkohol hinunter. Dann knallt er das Glas vor mir auf den niedrigen Tisch. Ich verlange keinen Nachschank. Endlich bricht er das Schweigen.
    »Gut. Wo wir hier ja alle so nett zusammensitzen, möchte ich mir und euch jeden Schmus ersparen und frage dich gerade heraus, Harris: Wie ist der Spielstand für mich vor den Spielleitern? Unterliege ich?«
    Da ich keinen Grund sehe, weiterhin etwas abzustreiten, lege ich die Karten auf den Tisch.
    »Du scheidest aus«, sage ich. »Aber das weißt du längst.«
    Er zögert einen Moment.
    »Was ist mit unserem Pakt?«, fragt er schließlich. Seine Stimme bebt leicht, aber da ich seine Stimmungsschwankungen kenne, traue ich dem nicht.
    »Ich glaube kaum, dass du tatsächlich vorhattest, dich mit mir zu verbünden.«
    »Ach ja? Und wieso nicht?« Seine Ausstrahlung ist so warmherzig wie eine Eisscholle.
    »Weil ich eine Gefahr für dich bin. Weil du mich bereits einweihen solltest und damit ist deine Ablösung beschlossene Sache. Deine Zeit hier ist um. Oder verstehe ich da etwas falsch?«
    Einen Moment ist es völlig still.
    »Nein, du verstehst genau richtig«, sagt er schließlich. Angespannt neigt er sich mir entgegen. »Ich will, dass du mir endlich sagst, was du weißt. Was haben sie dir gegeben? Haben sie dich in dein altes verkorkstes Leben zurückkehren lassen? Wann erzählst du mir endlich von dem kranken Scheiß!«, zischt er.
    Ich zucke die Schultern. »Da könnte ich dir mehr über das Fressverhalten des Nacktmulls erzählen.«
    Hoch und heilig kann ich hier schwören, dass seine Augen ein Blinzeln lang Funken sprühen. Er zwinkert einige Male, sieht zu seiner Geschäftspartnerin, die furchtsam tief in den Kissen kauert.
    »Ihr wollt euch sicher noch ein bisschen den Hafen ansehen, ehe ihr für euren Aufbruch morgen packt«, sagt er, während er sich erhebt. Dann verlässt er uns gesenkten Kopfes. Rachelles gehetzter Blick senkt sich in meinen ruhigen. Sie legt fragend den Kopf schief, damit ich jenes in offene Worte fasse, was James so taktvoll verpackt hat.
    »Wir sollen morgen so bald wie möglich von hier verschwinden und bestenfalls vorher im Hafenbecken ersaufen«, spezifiziere ich.
    Sie schüttelt den Kopf und steht auf. »Und das macht dich kein bisschen stutzig?«, will sie wissen.
    »Was sollte mich denn stutzig machen, mein Herz?«
    Hilflos breitet sie die Arme aus. »Zum Beispiel, dass er dich wegschickt, obwohl du ja offensichtlich einen Mord an ihm verüben sollst! Dass er dich scheinbar betäubt oder bestenfalls lahmgelegt hat. Du hast vorhin sicher nicht die Qualität seines Gesöffs angezweifelt.«
    Es lässt sich nicht bestreiten, meine Angebetete hat Recht. Dennoch brauche ich noch einen Moment, um klar zu werden. Mutig beschließe ich, ihr von meinem nächtlichen Gewalt-Tét-a-tét zu erzählen. Ich nehme beschwichtigend ihre Hände. »Rachelle, jemand hat mehrmals versucht, meine Tür einzuschlagen, um was weiß ich mit mir zu veranstalten.«
    Sie seufzt theatralisch. »Meine Güte, Harris! Sag nicht, du willst hier bleiben, bis du herausgefunden hast, ob außer dir noch ein tollwütiger Irrer hier untergebracht wird. Solche Mutproben stehen dir einfach nicht.«
    Ihre Worte verletzten mich. Ich ziehe sie trotzdem in meine Arme. »Dass ich einen Zimmernachbarn habe, ist todsicher. Zuerst dachte ich, James steckt dahinter. Aber das glaube ich nicht mehr.«
    Sie legt einen Finger auf meine Lippen. »Ich werde jetzt sofort gehen. Sobald du gepackt hast, treffen wir uns in meiner Wohnung. Dann überlegen wir, was wir tun, ja?« Sie steckt ihre Adresse zusammengefaltet in meine Hemdtasche. »Bis später.

Weitere Kostenlose Bücher