Kaltgestellt
öffnete. Kurz darauf stand ihm ein groß gewachsener Mann mit glattem, ausdruckslosem Gesicht gegenüber. Tweed kam der Mann so vor, als wäre dieser sich bewusst, daß er in der Hackordnung ziemlich weit oben angesiedelt war. Tweed fragte sich, ob diese Begegnung wohl zufällig war. Aber wie hatte der Mann wissen können, wann er Sharons Büro verlassen würde? »Sind Sie Tweed?«, fragte der Amerikaner. »Ja. Und mit wem habe ich das Vergnügen?«
»Chuck Venacki.« Es dauerte einen Augenblick, bis bei Tweed der Groschen fiel. Dann aber erinnerte er sich an das, was Chief Inspector Buchanan ihm über den Vorfall mit dem Lincoln Continental erzählt hatte. Venacki war der Mann gewesen, dessen Auto Newman mit seinem Geländewagen gerammt hatte. Buchanan hatte ihn als eindrucksvolle Erscheinung bezeichnet und Tweed erzählt, daß der Mann offenbar Attache an der amerikanischen Botschaft sei.
»Der Hauptaufzug, mit dem Sie hier heraufgekommen sind, hat eine Störung«, sagte Venacki knapp. »Sie müssen nach links den Gang entlang und dann am Ende wieder links. Dort ist ein weiterer Aufzug; der bringt Sie zu einem Seitenausgang.«
»Danke für den Hinweis.« Venacki beachtete Tweed nicht weiter und schlug ihm die Tür vor der Nase zu. Nicht besonders höflich, dachte Tweed. Fast schon feindselig. Der scheint, über meine Anwesenheit nicht gerade erfreut zu sein. Kopfschüttelnd wandte Tweed sich nach rechts und ging zu dem Aufzug, mit dem er heraufgekommen war. An der Tür hing ein Schild: Aufzug defekt. Tweed drückte auf den Knopf, aber nichts tat sich. Neben dem Aufzug befand sich ein großes Treppenhaus, das ebenfalls nach unten führte. Gerade als er den Fuß auf die erste Stufe setzte, blickte er noch einmal den Gang entlang und sah, daß Chuck Venacki wieder aus seinem Büro getreten war und ihn beobachtete. Als Tweed ihn anblickte, verschwand er blitzschnell in der Tür. Tweed schüttelte nachdenklich den Kopf. Langsam ging er mehrere kurze Treppenabsätze hinunter und lauschte immer wieder angestrengt in die Stille. Es war nicht das leiseste Geräusch zu hören. Seltsam. Die Atmosphäre kam ihm immer bedrohlicher vor. Als Tweed unten anlangte, sah er, daß die weiträumige Eingangshalle leer war. Lediglich die Empfangsdame saß hinter ihrer Theke, auf der gerade das Telefon klingelte. Sie hob ab, hörte einen Moment zu und knallte den Hörer wieder auf die Gabel. Dann stand sie auf und verschwand durch die Tür hinter der Theke. Tweed wollte ihr hinterher, aber die Tür ließ sich nicht öffnen. Er drehte sich um und ging zu der Drehtür am Haupteingang, neben der sich ein kleiner Tisch für einen Wachmann befand. Als Tweed daran vorbeiging, summte das darauf stehende Telefon. Vorsichtig hob Tweed den Hörer ab und vernahm eine ihm unbekannte Männerstimme. »Die Operation läuft. Melden Sie sich bei Charlie.« Was für eine Operation? fragte sich Tweed. Und wer war Charlie?
Tweed ging rasch zur Drehtür, um das Gelände zu verlassen, aber die Tür ließ sich nicht bewegen. Dieser Ausgang war ihm also versperrt. Ruhig ließ er den Blick durch die Eingangshalle schweifen. Nirgends war ein Mensch zu sehen, an den er sich hätte wenden können. Es bestand kein Zweifel mehr daran, daß er in der Falle saß. Tweed spähte durch die gläserne Drehtür nach draußen, wo gerade eine überlange Limousine vorfuhr und hinter einem blauen Chrysler anhielt, der am Straßenrand geparkt war. Ohne darauf zu warten, daß ihm der uniformierte Chauffeur die Tür öffnete, stieg ein Mann aus dem Fond und eilte die Treppenstufen zum Botschaftseingang hoch. Als Tweed das Gebäude vor einer halben Stunde betreten hatte, waren ihm zwei Videokameras aufgefallen, die beide auf die Treppe gerichtet waren und die irgendeinem verborgenen Wachmann jetzt sicherlich zeigten, wer da im Anmarsch auf das Gebäude war. Auch Tweed erkannte den schlanken, energiegeladenen Mann, dessen Bild er schon mehrmals in der Zeitung gesehen hatte. Es war der amerikanische Botschafter. Ohne Tweed im Inneren der Eingangshalle zu beachten, drückte der Botschafter von außen gegen die Drehtür, die sich daraufhin zu bewegen begann. Tweed nutzte die Gelegenheit und schlüpfte auf der anderen Seite der Tür ins Freie. Die Luft draußen erschien ihm nach der Wärme im Inneren der Botschaft noch kälter als zuvor. Auf dem oberen Absatz der Stufen blieb Tweed kurz stehen und ließ den Blick über den Grosvenor Square streifen. Dann fuhr er sich mit der Hand
Weitere Kostenlose Bücher