Kaltgestellt
ganz anders auf mich gewirkt. Charmant, liebenswürdig und voller Späße.«
»Wie interessant.« Paula merkte, daß Tweed ihr nur mit halbem Ohr zuhörte, während er angestrengt zum rechten Turm des Hauses hinaufspähte. Schließlich stellte er den Wagen vor einer breiten alten Steintreppe ab, die zu einer mit einer Balustrade versehenen Terrasse führte. Nachdem Tweed den Wagen zugesperrt hatte, blickte er abermals zu dem Turm hinauf.
»Was für ein gräßliches altes Haus«, flüsterte Paula.
»Hier würde ich nicht wohnen wollen.«
»Sie dürfen nicht vergessen, daß Strangeways zwanzig Jahre lang bei der Armee war, bevor er in die Wirtschaft gegangen ist. Zudem war er als Kind auf dem Internat. Wenn man so einen Hintergrund hat, schert man sich nicht viel um Geschmack oder Komfort.« Als sie am oberen Ende der Treppe angelangt waren, öffnete sich die schwere Tür in der Mitte des Hauses. Strangeways stand in einem blauen Geschäftsanzug vor ihnen. Er war knapp einen Meter achtzig groß und hielt sich so gerade, als hätte er einen Ladestock verschluckt. Das fleischige Gesicht war gerötet. Die Nase über dem dünnlippigen Mund und dem aggressiven Kinn war gebogen wie ein Adlerschnabel. Strangeways hatte dunkle Augen, mit denn er sie Furcht einflößend anblickte. Der akkurat geschnittene Schnurrbart hatte dieselbe Farbe wie das graue Haar.
»Sie kommen zu spät«, schnauzte er Tweed an.
»Nein, wir sind pünktlich. Vielleicht geht Ihre Uhr falsch«, antwortete Tweed in mildem Ton.
»Ich lege großen Wert auf Pünktlichkeit«, sagte Strangeways mit knarrender Stimme.
»Eine alte Angewohnheit aus meiner Zeit bei den Royal Guards.«
»Meine Uhr ist eine Accurist. Geht auf die Sekunde genau. So eine sollten Sie sich vielleicht auch mal zulegen«, gab Tweed im selben Ton zurück.
»Aber wollen Sie uns eigentlich den ganzen Nachmittag lang hier draußen in der Kälte stehen lassen?«
»Nein, natürlich nicht. Bitte kommen Sie doch herein«, sagte ihr Gastgeber nun etwas verbindlicher. Nachdem er die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, sagte er mit leiser Stimme: »Entschuldigen Sie bitte, aber mein mißratener Sohn hat mir einen unerwarteten Besuch abgestattet. Ich werde Sie ihm vorstellen und ihm dann sagen, daß er verschwinden soll.« Tweed und Paula folgten Strangeways über den groben Bohlenboden durch die leere Eingangshalle. Das einzige Möbelstück in dem riesigen Raum war eine häßliche Eichentruhe an einer der kahlen Wände. Strangeways führte sie in ein großes Zimmer. Links neben der Tür stand ein einfacher Tisch mit einem übergroßen Globus darauf. Darüber hing eine Weltkarte. In der Mitte des Raums befand sich ein weiterer Tisch, diesmal aus massivem Eichenholz, um den einige unbequem aussehende Stühle mit hoher, gerader Lehne gruppiert waren. Das Innere von Irongates erinnerte Paula irgendwie an ein Gefängnis.
»Darf ich vorstellen: mein Sohn Rupert«, sagte Strangeways mit wenig Begeisterung in der Stimme. Auf einer Couch im hinteren Teil des Raums lümmelte ein Mann um die dreißig, der einen Reitanzug trug. Die in glänzenden kniehohen Stiefeln steckenden Füße hatte er auf eine der Armlehnen der Couch abgelegt. In der rechten Hand hielt er eine Reitpeitsche, mit der er sich lässig an den Oberschenkel klopfte. »Nimm deine verdammten Stiefel von meinem Sofa«, knurrte Strangeways.
»Das hier ist Mr. Tweed, ein Freund von mir, und seine Assistentin Paula.« Rupert ließ sich gehörig Zeit, bevor er die Füße vom Sofa nahm und aufstand. Er war schlank, vielleicht eins zweiundsiebzig groß und hatte gepflegtes, schwarzes Haar. Von seinem Vater hatte er die Adlernase und die dunklen Augen geerbt, die ihm einen lebhaften und wachen Ausdruck verliehen. Er streckte das spitze Kinn vor und musterte Paula mit unverschämten Blicken, die von ihren Beinen aufreizend langsam nach oben zu ihrem Gesicht wanderten. Paula lief es dabei eiskalt den Rücken hinunter. »Paula, Sie gefallen mir«, sagte er.
»Sie sehen nicht schlecht aus.«
»Soll das ein Kompliment sein?«
»Immer mit der Ruhe. So weit bin ich noch nicht.« Strangeways bot Tweed, den Rupert überhaupt nicht beachtete, einen Stuhl an dem Tisch in der Mitte des Raumes an. Dann stellte er sich stocksteif hinter ihn und machte einen peinlich berührten Eindruck. Er hüstelte und blickte hinüber zu Paula.
»Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Ich will auf keinen Fall unhöflich wirken.«
». aber Sie würden es vorziehen,
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