Kaltgestellt
amerikanischen Botschaft und treffe mich mit Sharon Mandeville.«
»Aber verlieben Sie sich nicht in sie«, sagte Monica und half ihm in den Mantel.
»Ich kann mich beherrschen. Heute Nachmittag fahre ich übrigens hinaus nach Parham. Ich muss mich gründlich mit Sir Guy Strangeways unterhalten. Vielleicht finde ich heraus, welche Rolle er in diesem seltsamen Stück spielt.«
5
Tweed bat den Taxifahrer, ihn direkt vor der Botschaft aussteigen zu lassen. Der Februar verabschiedete sich mit einem bitterkalten, schneidenden Wind, der eine Armada von dunklen Regenwolken über den Himmel trieb. Die eleganten Häuser am Grosvenor Square sahen grau und trist aus. Tweed blieb einen Augenblick vor dem großen, modernen Gebäude stehen, dessen weiße Fassade sich hinter einem Vorgarten erhob. Sie kam ihm so solide wie eine Stahlwand mit Fenstern vor, wie ein Denkmal für die gigantische Weltmacht, deren Repräsentanten hinter ihr residierten. Mit einem leisen Knurren stieg Tweed den menschenleeren breiten Treppenabsatz hinauf und betrat durch eine gläserne Drehtür das Gebäude. Er ging unverzüglich zur Empfangstheke, hinter der eine attraktive Brünette saß, die ihn mißtrauisch beäugte.
»Ms. Mandeville erwartet mich«, sagte er. »Mein Name ist Tweed.«
»Können Sie sich ausweisen, Sir?« Die Frau, deren Stimme hart und näselnd klang, sprach mit einem breiten amerikanischen Akzent. Tweed zog aus seiner Brieftasche eine Visitenkarte hervor, die ihn als Leitenden Ermittler der General & Cumbria Assurance bezeichnete. Die Frau betrachtete die Karte, als hätte sie es mit einer Fälschung zu tun, was sie ja in gewisser Weise auch war.
»Ich werde Ihnen mitteilen, wenn Ms. Mandeville Zeit für Sie hat. Setzen Sie sich bitte dort drüben hin.«
»Ich bleibe lieber hier. Meine Verabredung ist für jetzt anberaumt.« Die Empfangsdame zog einen Flunsch. Sie war es gewohnt, daß die Leute auch das taten, was sie von ihnen verlangte. Sie hob den Telefonhörer ab, sprach ein paar Worte und deutete dann auf den Lift. »Nehmen Sie den Aufzug«, sagte sie barsch. »Erster Stock, Zimmer einundzwanzig.«
»Vielen Dank.« Tweed bemerkte, daß neben dem Aufzug ein Wachmann in Zivil stand. Unter dessen linker Achsel war deutlich die Beule eines Schulterhalfters zu erkennen. Der Mann starrte Tweed, der ihm auf dem Weg zum Aufzug freundlich zuwinkte, mit versteinerter Miene an. Gemütliche Stimmung hier, dachte Tweed. Man kommt sich fast vor, als wäre die Botschaft im Belagerungszustand. Tweed schlenderte in die Liftkabine und drückte den Knopf für den ersten Stock. Die Tür glitt geräuschlos zu, und der Aufzug setzte sich in Bewegung. Tweed war erstaunt, wie leise es in dem Gebäude war. Es kam ihm vor wie eine leere Bühne, die nur auf seinen Auftritt wartete. Die Aufzugstür ging ebenso lautlos auf, wie sie zugeglitten war. Tweed betrat einen breiten Gang und sah dort drei Männer entlanggehen, die ihm den Rücken zukehrten. Einer von ihnen war Jefferson Morgenstern, den Tweed sofort an dessen Statur erkannte. Er hatte den nicht gerade groß gewachsenen amerikanischen Außenminister auf einem Empfang in Washington kennen gelernt. Morgenstern trug einen dicken schwarzen Aktenhefter unter dem Arm. Die beiden Männer, die links und rechts von ihm gingen, waren viel größer und breiter gebaut als der mächtigste Mann dieser amerikanischen Behörde. Tweed erwartete eigentlich, daß sich jeden Augenblick einer der drei Männer umdrehen und ihn bemerken würde, aber sie gingen stur geradeaus, als wären sie völlig auf ein bestimmtes Ziel fixiert. Vor einem Zimmer auf der rechten Seite des Gangs blieben sie stehen. Einer von Morgensterns Begleitern holte einen Schlüssel aus der Tasche und schloß damit die Tür auf. Die drei betraten den Raum, ohne die Tür wieder hinter sich zuzuziehen. Tweed, der neugierig geworden war, ging auf leisen Gummisohlen den Gang entlang. Vor der offenen Tür blieb er stehen und lugte vorsichtig hinein. In einer Wand des Raums war ein großer Safe eingelassen, der Tweed an den Tresorraum einer Bank erinnerte. Morgenstern öffnete die Safetür, bückte sich und schob seinen Aktenhefter in ein Fach des Tresors. Tweed ging leise weiter, merkte sich aber die Nummer des Raums, in den er soeben geblickt hatte. Es war die 16, und an der Tür war ein Schild mit der Aufschrift »Sicherheitsabteilung« befestigt. Eilig ging er zum Raum Nummer 21 weiter, der sich auf der gegenüberliegenden Seite des Gangs
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