Kaltgestellt
verborgen am Rücken trug, und warf es quer durch den Raum. Mit erschreckender Präzision bohrte es sich mitten durch den Kehlkopf des Gorillas. Einen Augenblick lang passierte nichts. Dann ließ der Gorilla erst die Zigarette und danach die Pistole fallen und griff mit einer Hand nach dem Messer, während er langsam nach vorn zu kippen begann. Ein häßliches gurgelndes Geräusch drang aus seiner durchbohrten Kehle. Hellrotes Blut rann den Hals hinunter. Dann schlug er mit dem Kopf voran auf den Steinfußboden, wobei das Messer so tief in den Hals getrieben wurde, daß es auf der anderen Seite wieder herauskam. Er blieb reglos liegen. Nield atmete erleichtert durch. In diesem Augenblick ging die Tür auf, und Marler kam, die Walther Automatik in der Hand, herein. Tweed, Newman und Butler folgten ihm auf dem Fuß. Newman, der sofort begriff, was los war, rannte zu Nield und half ihm beim Aufstehen.
»Wenn das ein Film wäre, müßte ich jetzt wohl sagen: ›Wo wart ihr so lange?‹«, sagte Nield mit einem matten Lächeln. »Wer ist die Dame?«, fragte Tweed, während er auf die alte Frau zuging. »Keine Ahnung.«
Tweed musterte die Frau eingehend. Sie war wohl über siebzig Jahre alt. Das schüttere weiße Haar hatte sie zu einem Knoten gebunden. Aus den klaren braunen Augen in ihrem faltigen Gesicht sah sie Tweed an, der ihr sanft die Hand auf die Schulter legte.
»Jetzt ist alles in Ordnung«, sagte er mit einem mitfühlenden Lächeln.
»Verstehen Sie meine Sprache?«
»Ja.«
»Was war hier los?«, fragte Tweed an Nield gewandt. Nield räusperte sich und erzählte den anderen so knapp wie möglich, was geschehen war. Während Tweed zuhörte, bückte er sich und fühlte dem reglos daliegenden Gorilla den Puls. Als er sich erhob, formte er mit den Lippen lautlos das Wort: »Tot.«
»Gut«, sagte Nield mit grimmiger Befriedigung. Dann fuhr er mit seiner Erzählung fort, bis er an den Punkt kam, an dem er das Messer geworfen und den Gorilla mitten in den Hals getroffen hatte.
»Direkt ins Schwarze«, flüsterte Marler.
»Und nachdem ich mit dem Burschen fertig war, sind Sie hier hereingestürzt«, sagte Nield.
»Darf ich fragen, wer Sie sind?«, sagte Tweed an die alte Frau gewandt, die immer noch auf dem Stuhl saß. »Haben Sie die Losung?«, fragte sie mit klarer Stimme. »General Guisan«, sagte Marler.
»Dann sind Sie der Richtige«, antwortete die Frau. »Kurt hat mir gesagt, daß Sie kommen würden.«
»Ich habe allerdings schlechte Nachrichten für Sie«, sagte Marler ruhig.
»Ich weiß.« Die alte Frau griff sich ans Herz.
»Ich habe es hier drinnen ganz deutlich gespürt. Mein Mann ist tot.«
»Es tut mir sehr Leid. Er ist rasch gestorben und hat nicht lange leiden müssen.«
»Ich bin Helga Irina«, sagte die Frau. »Vor vielen Jahren war ich einmal Russin. Ich habe Kurt in einer Bar kennen gelernt und mich sofort in ihn verliebt. Er war ein sehr intelligenter Mann. Hat mir geholfen, aus Moskau wegzukommen. Ich hatte ein schreckliches Leben dort. Kurt hat mich nach Helsinki gebracht. Dann nach Westdeutschland. Dann hierher, wo Kurt aufgewachsen ist. Wir haben geheiratet. Kurt hat mir immer gesagt: Wenn er stirbt, wird sein Freund, der Engländer, zu mir kommen. Ich werde ihn an der Losung erkennen: General Guisan. Vor ein paar Wochen wurde Kurt von KGB-Typen verfolgt. Nachdem Kurt einmal zusammen mit einem Schweizer Freund in einer Bar war, hat ein KGB-Typ diesen Freund betrunken gemacht und ihn ausgefragt, nachdem Kurt weg war. In seinem Suff hat der Freund ihm von Kurts Frau Irina erzählt. Von mir. Deshalb hat mich der da gefunden.« Sie deutete auf die Leiche des Gorillas zu ihren Füßen.
»Eine Woche später wurde Kurts Freund mit eingeschlagenem Schädel aus dem Fluß gezogen.«
»Kann ich Sie nach Hause bringen?«, fragte Tweed. »Sie haben viel durchgemacht.«
»Nein!«, rief Irina und sprang auf.
»Kurt hat mir gesagt, ich soll dem Mann, der die Losung sagt, sein kleines schwarzes Buch geben.« Schwankend richtete Irina sich auf und fing an zu gehen. Tweed nahm sie am Arm und stützte sie, bis ihre Schritte sicherer wurden. An der Wand neben dem Ofen blieb sie stehen und griff mit einer ihrer knotigen Hände nach oben. Mit langsamen, aber erstaunlich sicheren Bewegungen zog sie einen der Steine aus der Wand und gab ihn Tweed. Dann griff sie in den kleinen Hohlraum dahinter und zog ein schwarzes Buch mit abgegriffenem Einband daraus hervor. Nachdem sie es kurz an die Brust
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