Kammerdiener gesucht
daß Mary, die in irrsinniger Angst und Hast näher kam, nach dem Bruder rief: »Achim! Achim, allmächtiger Gott, hilf!«
Michel eilte ihr entgegen, während Achim sich bemühte, so schnell wie möglich aufzustehen, aber erst mußte er die unwillig knurrenden Dackel vom Liegestuhl heben. Und da lag auch schon Mary vor seinem Stuhl auf den Knien und krallte ihre Hände an ihm fest. »Achim - hilf!«
»Aber Liebes, was ist denn? Du bist doch bei mir, bist in Sicherheit, was hat dich so furchtbar erschreckt?« Liebevoll legte er schützend seine Arme um das aufgeregte junge Mädchen, das wild schluchzend nach Fassung rang. »Siehst du irgend etwas, Michel, was sie so erschreckte?«
Rübezahl suchte mit forschenden Blicken den Hintergrund des Parkes ab. Aber außer einem leichten Schatten hinter den letzten Büschen, der sich zu bewegen schien, und jetzt auf der anderen Seite Wotan, mit Kuno im Sattel herankommend, konnte er nichts Besonderes feststellen. Kuno winkte vergnügt nach der Terrasse und rief laut: »Wotan hat feine neue Eisen bekommen!« Nicht ganz korrekt für einen Kammerdiener, aber er hatte halt so eine Freude, auf Wotan zu sitzen und wieder mal durchs Tor in den Park seiner Väter einzureiten.
Doch plötzlich stutzte er, sah er doch jetzt vom Ende des Parkes Mary gelaufen kommen, mit wildem Haar, angstvoll die Hände vorstreckend, und hörte ihren verzweifelten Hilferuf: »Achim - hilf!«
Was war da geschehen? Ohne zu überlegen, sprang Kuno vom Pferd, warf ihm die Zügel über den Hals, gab ihm einen Schlag aufs Hinterteil, was für den klugen Wotan von jeher bedeutete: Ab in den Stall. Kuno selbst raste nun zur Terrasse, konnte Mary aber nicht mehr erreichen, die schon vor ihm die wenigen Stufen hinaufgestolpert war, wo Michel sie gerade noch vor dem Stürzen bewahren konnte. Aber wie irr wehrte sie den Freund ab, eilte weiter zum Bruder, sank vor ihm nieder und wurde sofort von seinen Armen behütend umschlungen.
Jetzt kam Kuno auf der Terrasse an, stoppte seinen Lauf und
s ah erschrocken auf das zitternde Mädchen, das wild schluchzend die Arme um den Bruder schlang.
»Achim, hilf doch! Einar - er lebt, er hat mich draußen im Park angefaßt! Er lebt! Er lebt und wollte mich an sich ziehen!«
Dann nur noch unverständliches Flüstern ihrer zitternden Lippen.
Die drei Männer sahen sich verblüfft an, für sie war der Name Einar wie ein elektrischer Schlag. Doch nun schüttelte Achim beruhigend den Kopf und legte seine Wange auf Marys Kopf. »Aber Liebes, sei doch vernünftig! Du wirst einem Irrtum zum Opfer gefallen sein. Weiß der Himmel, was dich täuschte, was dich erschreckte. Sei ruhig, du bist bei mir - dort steht Michel, dort steht Kuno, wir alle sind da und wollen dich beruhigen.«
Aber wild schüttelte sie den Kopf, hob das verweinte Gesicht und zeigte mit zitternden Händen zum entfernten Parktor hin. »Dort - dort hat er mich angesprochen, da stand er und wartete auf mich und wollte mich in seine Arme nehmen. Achim, ich bin nicht wahnsinnig. Ich weiß, was ich gesehen habe, was ich hörte. Er ist es! Einar lebt!«
»Ruhig vor allen Dingen!« Achim streichelte ihr beruhigend die Schultern und wandte sich an Kuno, der blaß und verzweifelt dastand, weil er nicht wußte, ob er es wagen durfte, seine Hilfe anzubieten. Sein Herz klopfte genauso aufgeregt wie ihnen allen. Das Mädel, das geliebte, heimlich geliebte Mädel so verzweifelt zu sehen und ihr nicht helfen zu dürfen, war der bisher bitterste Moment, den er als Diener erleben mußte. »Kuno, bitte, rufen Sie Hedrich, und mit ihm zusammen suchen Sie draußen das Gelände ab, ob Sie dort jemanden sehen, der hier nichts zu suchen hat. Ein großer, blonder Mann - nur solch einer kann meine Schwester so wahnsinnig erschreckt haben.«
Kuno raste davon, schon an der Ecke des Schloßbaues laut nach Hedrich rufend, rannte weiter zum Stall. Dort riß er eines der Fahrräder heraus, das zweite schob er dem herbeieilenden Hedrich zu, und gleich darauf radelten sie davon. Castor und Pollux das sehen und kläffend hinterher sausen, war eins.
Verdutzt schaute Schirin, die eben erst Wotan gebührend begrüßt hatte und ihrem Neffen eigentlich einen Anschnauzer
verpassen wollte, da es sich nicht gehörte, ein Tier unversorgt in den Stall zu treiben. Aber da mußte doch irgend etwas geschehen sein? Sie suchte sofort Gertraude, die im hinteren Garten in einer alten Laube saß und träumte. Bitte, was hatte ihre Nichte Gertraude zu
Weitere Kostenlose Bücher