Kammerdiener gesucht
träumen, wenn hier etwas schiefging?
Ihr kurzer Bericht machte aber auch Gertraude nervös, zumal sie dann von ihrem Zimmer aus sehen konnte, wie Mary Bergemann auf der Terrasse vor dem Stuhl des Bruders am Boden lag und sich Michel Brunnig sorglich um sie kümmerte. Was sollte sie tun, was durfte sie tun? War es nicht anmaßend und taktlos, ¡ in einer vielleicht rein familiären Situation ihre Hilfe anzubieten? Schirin war in dieser Sache auch unsicher, und so warteten sie, versteckt am Fenster stehend, was weiter geschähe - oder bis Kuno zurückkam und sie ihn fragen konnten.
Indessen hatte Michel einen Stuhl herbeigezogen und war Mary behilflich, sich zu setzen. Blaß war sie, groß und erschreckt die sonst so heiter dreinblickenden Augen und zitternd die Lippen. ! »So, Mädel, nun werde erst mal ruhig. Du hast bestimmt in der untergehenden Sonne Gespenster gesehen, es hat dich irgendein Schatten irritiert, und deine alte Angst hat dich überrannt«,versuchte Michel sie zu trösten. Er nahm vom noch nicht abgeräumten Teetisch eine Serviette und wischte ihr ungeschickt die Tränen weg. Dann schaute er den Freund an und erkannte, daß dieser auch erschreckend blaß geworden war.
Achim konnte jetzt nicht mehr an Marys Worten zweifeln. »Mary, liebste - ich bitte dich, berichte mir ganz ruhig und korrekt, was dir begegnet ist. Du mußt ruhig sein, es kann viel für uns bedeuten.«
»Achim, er war es! Einar stand vor mir, plötzlich, als wäre er aus der Erde gestiegen. Schön wie eh und je, aber so furchtbar 1 lachend, so erschreckend böse.«
»Keine Phantasterei, Mary?«
»Nein, Achim, glaube mir doch! Ich fühle noch jetzt den harten Griff seiner Hände hier an meinem Arm.« Sie deutete auf ihren linken Arm, an dem man einen roten Fleck sehen konnte. »Ich kam aus dem Wald zurück und wollte gerade das Tor aufmachen, als ich Schritte neben mir hörte, blickte hoch - und sah Einar neben mir stehen. Oh, Achim - es war furchtbar!«
»Weiter - berichte ruhig, jedes Wort mußt du mir wiederholen, das gesprochen wurde.«
»Er war nicht allein, ein kleiner häßlicher Mann stand neben ihm, als er auf mich zukam und seine Arme um mich legen wollte. Als ich entsetzt zurückwich, packte er mich grob am Arm.«
»Und was sagte er?«
»Furchtbar waren seine Worte. Er zischte mir wütend zu: >Sieh mich an, wie ich aussehe! Das hat dein Bruder aus mir gemacht!< Und jetzt sah ich eine furchtbare Narbe auf seinem Gesicht, seine linke Gesichtsseite ist entstellt. Ich schrie auf, so gräßlich sah das aus in dem schönen Gesicht. Er lachte, laut und höhnisch, und dann sagte er, ich solle nur schreien, ich würde noch mehr schreien, wenn er zu dir käme und dir die Wahrheit ins Gesicht sagen würde: daß du ihn damals in die Schlucht gestoßen hättest, weil du alle Kostbarkeiten für dich behalten wolltest. Mord sei das gewesen, Mord - hörst du, Achim, das sagte er!«
Achim streichelte ihre eiskalten Hände, winkte Michel mit den Augen zu, nichts zu antworten, deutete auf eine warme Decke, die auf einem anderen Liegestuhl war, und diese legte Michel nun um Marys Schultern. »So, nun ruhig, Mädel. Sehen wir der unglaublichen Tatsache doch ruhig ins Auge, wenn es wirklich denkbar sein sollte, daß er das Entsetzliche damals überlebt hat. Möglich ist alles, Mary - möglich war es doch auch, daß du mich gerettet hast. Wissen wir, was am Grund der Schlucht war, wissen wir, ob es also nicht möglich war, ihn zu retten. Aber das versichere ich dir, daß er an dir keinerlei Recht haben soll und wird. Das ist vorbei, seit er uns seinen wahren Charakter zeigte.«
»Achim, aber er sagte doch, du habest ihn ermorden wollen! Und wie hohnvoll sagte er das!«
»Auch das wollen wir in Ruhe bedenken. Er wird kommen, dessen bin ich jetzt sicher. Er soll kommen, und er wird von mir hören, was ihm gesagt werden muß. Nur sei du wieder ruhig, das vor allen Dingen ist mir wichtig.« Achim war sehr ernst geworden. All die herzliche Freude, die nach dem netten Gespräch mit Gertraude in ihm gewesen war, hatte dieses neue Entsetzen weggewischt.
»Aber um alles in der Welt, ihr könnt doch nun nicht hier brav und ergeben warten, bis der Schuft auftaucht und gewissenlose Behauptungen aufstellt und Rechte geltend machen will!«
»Er hat keine Rechte, keine - nur Verbrechen hat er auf dem Gewissen. Ich bin jetzt ganz besonders froh darüber, daß ich mir gerade diese Götzenbilder, die wir damals durch ihn gefunden haben, von der
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