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Kammerflimmern

Kammerflimmern

Titel: Kammerflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gibert
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russischem Akzent.
    »Wir sind echt. Also machen Sie jetzt bitte auf.«
    Wieder eine kurze Pause auf der anderen Seite. Dann die leiser werdende Stimme.
    »Ich denk ja gar nicht dran.«
    In diesem Moment wurde Lenz wirklich sauer. Er ballte die Faust, trat und schlug mit aller Kraft gegen die Tür und brüllte dabei so laut er konnte: »Aufmachen«.
    Das schien die Frau nun doch zu beeindrucken, denn zwei Sekunden später klickte das Schloss, und die Tür öffnete sich langsam.
    »Schon gut, ich will keinen Ärger.«
    Die beiden Kommissare sahen sich verdutzt an. Vor ihnen stand eine etwa 20 Jahre alte Frau im Bademantel. Sie hatte rote Haare, ein hübsches Gesicht und hielt die Hände mit den frisch lackierten Fingernägeln in die Höhe.
    »Sind Sie Frau Krauss? Roswitha Krauss?«
    »Ja. Wer sind Sie?«
    Lenz stellte Hain und sich vor. Beide zückten ihre Dienstausweise, denen die Frau jedoch keine Beachtung schenkte.
    »Und was wollen Sie?«
    »Kennen Sie Siegfried Patzke?«
    »Ja, natürlich. Siggi.«
    »Ist er hier?«
    »Nein.«
    Hain ließ die beiden im Flur stehen und sah sich in der kleinen Wohnung um. Die Frau zog vorsichtig ein Papiertaschentuch aus dem Bademantel und schnäuzte sich.
    »Ich habe Schnupfen.«
    Der Oberkommissar kam kopfschüttelnd zurück. Patzke war nicht in der Wohnung.
    »Wann haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
    »Am Sonntag. Danach nicht mehr.«
    »Hat er angerufen?«
    Sie überlegte einen Moment.
    »Montagabend, ganz spät. Er war betrunken und wollte noch vorbeikommen. Aber ich muss früh aufstehen, deswegen war das nicht möglich.«
    »Seit wann geht das mit Ihnen?«
    »Ein paar Wochen, aber es ist nichts Festes. Er kommt, wann er will, ich mache auf, wenn ich will. Das ist alles.«
    »Klingt romantisch.«
    »Siggi ist über 50. Ist ein lieber Kerl, aber nichts für immer.«
    »Haben Sie seine Telefonnummer?«, fragte Hain.
    »Ja«, antwortete sie, griff erneut sehr vorsichtig in die Tasche des Bademantels und zog mit spitzen Fingern ein Mobiltelefon heraus. »Aber nicht im Kopf.«
    Dann sagte sie dem Oberkommissar eine Nummer an, die er sofort in sein Telefon eintippte.
    »Wo könnte er stecken? Haben Sie eine Idee?«
    »Nein, leider nicht. Hat Siggi etwas verbrochen?«
    »Vielleicht. Hat er mit Ihnen über irgendwas gesprochen?«
    »Nein, hat er nicht.«
    Lenz drückte ihr seine Visitenkarte in die Hand.
    »Wenn er kommt oder Sie anruft, sagen Sie ihm bitte, dass er sich auf jeden Fall bei uns melden soll. Es ist wichtig. Und es ist besser für ihn.«
    »Mache ich«, nickte sie artig.
     
    Zurück im Wagen, wählte Hain die Nummer, die ihm Roswitha Krauss genannt hatte. Der Anschluss war nicht erreichbar.
    »Ich versuche es weiter«, meinte er und steckte das Gerät zurück in seine Jacke.
    Als Lenz sich eine Stunde später ins Bett legte, tobte draußen noch immer der Sturm. Windböen mit bis zu 140 Stundenkilometern, hatte sein Radio im Bad angekündigt, als er unter der Dusche stand. Im Verlauf der Nacht sollte es noch schlimmer werden.
    In den Minuten vor dem Einschlafen dachte er über Wolfgang Goldberg, den Brand in dessen Wohnung und die Wanzen in seinem Büro nach. Und über Patzke, nach dem mit Hochdruck gefahndet wurde und der vermutlich untergetaucht war.
    Er schlief unruhig, weil der Wind ständig den Rollladen zum Klappern brachte. Zweimal wurde er kurz wach, schlief aber immer dann wieder ein, wenn er an Maria und das Treffen mit ihr am nächsten Tag dachte.

10
    Der Sturm hatte nachgelassen. Am blassrosa dämmernden Himmel war keine Wolke zu sehen, aber die klirrende Kälte hatte die Stadt fest im Griff. Lenz saß im Bus und betrachtete die Schäden der vergangenen Nacht. In einigen Vorgärten lagen Bäume, die noch am Tag zuvor, beleuchtet von wetterfesten Lichterketten, für weihnachtliche Stimmung gesorgt hatten. Die verschneiten Straßen waren übersät mit Ästen, Zweigen und sonstigem Allerlei, das in den letzten Stunden fliegen gelernt hatte. An vielen Ecken und Mauern hatte der Wind den Schnee meterhoch aufgetürmt.
    Der Kommissar wollte ein paar Meter zu Fuß gehen, deshalb verließ er den Bus am Ständeplatz und ging Richtung Fußgängerzone. Dort bot sich ihm ein Bild der Verwüstung. Ein großer Teil der Weihnachtsdekoration war vom Sturm abgerissen worden und baumelte trostlos an den Spannseilen. Zwei Handwerkertrupps mit speziellen Hebebühnen waren damit beschäftigt, größere Teile vor dem Absturz zu retten. Einige der Buden des Weihnachtsmarktes auf

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