Kammerflimmern
es spannend wird, hat der Dolmetscher ausgedient.«
»Gräm dich nicht. Am Ende würdest du Dinge erfahren, die du gar nicht wissen willst. Also, raus hier.«
Nachdem der Russe widerstrebend das kleine Büro verlassen hatte, rückten die Polizisten an den Monitor und lasen.
Liebe Frau Hohmann,
es tut mir leid, dass ich Sie in Ihrem angeschlagenen Zustand mit dieser Sache belästigen muss.
Allerdings ist es mir zunächst ein großes Anliegen, bei Ihnen um Abbitte nachzusuchen. Sie hatten recht mit Ihrer Vermutung, dass ich mich besser niemals mit einem Verbrecher wie Boris Blochin hätte einlassen sollen. Nun ist mein Leben vermutlich in Gefahr, weil ich nicht auf Ihren Menschenverstand vertraut habe. Oder weil ich meine Gier über jeden Menschenverstand gesetzt habe.
Seit ich Blochin vor drei Jahren zum ersten Mal begegnet bin, hat der Mann mich in sein Spinnengewebe aus Lügen, Betrügen, Brutalität und nun auch Mord hineingezogen. Ich will mich nicht entschuldigen, war ich es doch selbst, der von Beginn an aktiv dazu beigetragen hat, dass die Situation in dieser Weise eskalieren konnte. Und da es nun zu einer solchen Zuspitzung gekommen ist, dass ich um mein Leben fürchte, bitte ich Sie, die Informationen auf dem Datenträger, den ich Ihnen ausgehändigt habe, aufzubewahren und im Falle meines Todes den Behörden zu übergeben. Darauf wird die Polizei alle Beweise finden, die nötig sind, um Boris Blochin das Handwerk zu legen. Leider reicht mein Mut nicht aus, um selbst die Strafverfolgungsbehörden über Blochins Machenschaften zu informieren. Diese Schande könnte ich nicht ertragen.
Ich habe seit Mitte 2005 aktiv dazu beigetragen, Blochins Geschäftsmodell zu unterstützen. Zusammen mit Waldemar Frommert und Herbert Roll habe ich dabei mitgewirkt, Schwarzgeld mehrerer russischer Mafiaorganisationen über die BBE und einige weitere von Blochins Unternehmungen zu waschen.
Blochin hat dazu das Geld in kleinen, vom Geldwäschegesetz nicht überwachten Beträgen an russische Übersiedler transferieren lassen, die damit in mehrere von ihm gegründete Lebensversicherungen investierten. Nach etwa einem halben Jahr wurden die Verträge gekündigt, die Russen bekamen einen kleinen Betrag, der ihr Mitmachen honorierte, der große Rest aber wurde als Bearbeitungsgebühr einbehalten. So verwandelte sich schmutziges russisches Geld in blütenweißes deutsches, das überall auf der Welt legal investiert werden konnte.
Mein Anteil an diesem System ist schnell beschrieben. Die IHK Kassel als Aufsichtsbehörde für die Versicherungsbranche und speziell meine Person sind damit betraut, genau solche Konstruktionen zu verhindern. Wären wir nicht in Blochins Aktivitäten eingeweiht gewesen, hätten wir nach Auswertung der Geschäftsdaten sofort die Staatsanwaltschaft verständigen müssen, da ein geregelter Geschäftsbetrieb, der die Anlage der Gelder voraussetzt, von ihm niemals angestrebt wurde.
Bis zum Sommer dieses Jahres hatte ich weder moralische noch juristische Bedenken, Bestandteil dieses Systems zu sein. Ich erhielt für meine Dienste und mein Schweigen 50.000 Euro im Monat von Blochin, die er mir immer in bar übergab. Das Geld habe ich zum Teil in festverzinslichen Wertpapieren angelegt, die weitaus größere Menge habe ich allerdings in Immobilien investiert. Eine genaue Aufstellung darüber finden Sie in den Dokumenten auf dieser CD.
Im Mai 2007 wurde ich durch ein einziges, jedoch umso schwerer wiegendes Ereignis mit jener Welt konfrontiert, in der Blochin sich tatsächlich bewegt. Blochin und ich saßen in meinem Büro und besprachen die Details einer Reise in die baltischen Staaten, die wir planten. Kurz zuvor hatte er mir den monatlichen Betrag überreicht. Es war etwa acht Uhr am Abend, und wir sprachen recht offen miteinander, auch über die Dienste, die ich ihm leistete. Plötzlich jedoch legte er den Finger der rechten Hand auf den Mund, als wollte er mich auffordern zu schweigen. Ich verstand zunächst nicht, was er meinte, er aber sah mich warnend an, stand auf, ging vorsichtig zur Tür und riss sie auf. Dort stand in gebückter Haltung eine Putzfrau, die offensichtlich gelauscht hatte. Herr Blochin bat die arme Frau höflich in mein Büro, wo er sie dann belehrte, dass er so etwas nicht mag. Dann zog er einen 100-Euro-Schein aus der Tasche, gab ihn der Frau, fragte sie nach ihrem Namen und nahm ihr das Versprechen ab, niemals wieder an irgendeiner Tür zu
Weitere Kostenlose Bücher