Kammerflimmern
konnte. Auf dem Display tauchten nun fünf Tonspuren auf. Sara hielt die unterste für die neueste und markierte sie, ehe sie auf Okay drückte.
Sie hörte ein Kratzen, als hätte etwas das Mikrofon gestreift, als die Aufnahme begonnen hatte.
Dann hörte sie eine Stimme, eine ihr unbekannte Männerstimme.
Für eine gute Dreiviertelstunde lauschte Sara Zuckerman der Wiedergabe auf Peter Adams’ Telefon. Als sie fertig war, blieb sie sitzen und sah eine weitere Viertelstunde lang das Telefon an.
Dann griff sie zu ihrem eigenen.
»Jerry«, sagte sie, als sich am anderen Ende der Leitung jemand meldete. »Hier ist Sara. Wie lange brauchst du, um nach Denver zu kommen?«
11.59 a.m.
Colorado Convention Center, Denver, Colorado
Obwohl es in Raum 405 des Kongresszentrums nur 174 Sitzplätze gab, schienen sich mindestens doppelt so viele Menschen in den Saal gedrängt zu haben. An den Wänden kämpften Ärzte und Presseleute um Plätze mit Blick auf das Rednerpodium. Sicherheitsmänner schimpften und pöbelten, als handele es sich um eine Invasion.
Sara kam zu spät.
Sie war zwar davon ausgegangen, dass man früh kommen müsse, um bei der von Otto Schultz angekündigten Pressekonferenz einen Platz zu erwischen, war jedoch unterwegs so oft aufgehalten worden, dass sie sich gerade noch in den Saal zwängen konnte, ehe ein Saalordner hinter ihr die Tür schloss.
Zum ersten Mal, seit sie ihr Hotelzimmer verlassen hatte, wurde sie von niemandem beachtet. Der Kongress hatte zehntausend Teilnehmer, das wusste sie, und sie hatte das Gefühl, dass fast alle sie an diesem Vormittag angesprochen hatten. Die Deimos-Entlarvung war das große Gesprächsthema bei Heart Rhythm 2010, und absolut alle schienen mitbekommen zu haben, welche Rolle Sara Zuckerman bei der Entdeckung des katastrophalen Fehlers im ICD von Mercury Medical gespielt hatte.
Einige hatten ihr gratulieren wollen, andere waren neugierig gewesen und hatten über Details zu reden versucht, auf die Sara nicht einging. Der Schock, den die Aufnahme auf Peter Adams’ Telefon ihr versetzt hatte, machte sie schroffer und abweisender, als sie es sonst gewesen wäre.
Norwegischer, dachte sie resigniert und hatte endlich einen Standort gefunden, von dem aus sie die Rednertribüne immerhin ahnen konnte.
Als Otto Schultz aus einer Tür an der Seite des Saals kam und zielstrebig auf das Podium zuschritt, war es, als hätte jemand auf einen Knopf gedrückt. Bisher hatte ein ohrenbetäubender Lärm geherrscht. Jetzt war nur vereinzeltes Flüstern zu hören, und als Otto Schultz das Rednerpult erreicht hatte, wurde es ganz still. Nur die Kameras summten wie ein Heuschreckenschwarm.
Er hatte kein Manuskript bei sich.
Er reckte sich zu seiner ganzen Höhe. Streifte die dicht gedrängten Reihen mit dem Blick, dann drehte er das Mikrofon ein wenig höher, ließ sich Zeit für einen Blick auf seine Armbanduhr und begann mit seiner Rede.
»Good afternoon and welcome.«
Es war eine Minute nach zwölf.
»Ich bin Otto Schultz, CEO der größten und besten Herstellerfirma für medizinische Elektronik und Pharmazie. Darauf bin ich stolz. Mercury Medicals Einsatz in Forschung und Entwicklung hat nicht nur in den USA, sondern überall in der Welt zahllose Leben gerettet.«
Noch immer war es ganz still im Saal.
»Uns ist allerdings ein Fehler unterlaufen«, sagte Otto Schultz und hob die Stimme. »Ein schwerwiegender Fehler. Zwei Menschen haben ihr Leben verloren, weil ein bösartiges Virus die Kontrolle über den Mercury Deimos an sich gerissen hat, einen implantierbaren Herzstarter, der bis vor etwas über einer Woche der zuverlässigste und mit Abstand betriebssicherste aller zugänglichen ICDs war.«
Vor ihm stand ein Glas Wasser, aber er rührte es nicht an.
»Nichts, und ich wiederhole nichts , lässt annehmen, dass das Problem weiter reicht als bis zu diesen beiden Fällen in Norwegen. Kein Bericht von irgendeinem anderen Ort der Welt vermittelt einen anderen Eindruck.«
Jetzt wandte er sich den Fotografen zu und ließ seinen Blick von Linse zu Linse schweifen, ehe er hinzufügte: »Aber Fehler darf es nicht geben. Nicht bei uns. Niemals. Wenn wir nun doch diese Manipulation an einem unserer avanciertesten Produkte nicht verhindern konnten, dann tragen wir auch die Konsequenzen. Vor allem ...«
Er hob den Zeigefinger wie ein Weltuntergangsprediger. »Vor allem werden wir uns um die Familien der direkt Betroffenen kümmern. In jeglicher Hinsicht. Finanziell,
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