Kammerflimmern
in der Lancet, betitelt Risk stratification for ventricular arrhythmias in ischaemic cardiomyopathy. Der Artikel war ungewöhnlich präzise gewesen, und Otto Schultz hatte ihn als Sonderdruck unter seinen senior medical advisors verteilt.
Otto Schultz war sich ganz sicher, diesem Mann nie begegnet zu sein, und er konnte nicht begreifen, warum irgendwer ihn über dessen Tod unterrichten wollte. Auch über Agnes Klemetsen war nichts herausgekommen.
Aus einem Impuls heraus googelte er Eric Berntsen. Sie schreiben Eric mit k, diese Skandinavier, ging ihm auf, als die erste Suche keine klaren Treffer brachte.
Aber jetzt. 1407 Treffer, viele davon in einer Sprache, die er nicht verstand. Norwegisch, nahm er an. Unten auf Seite 2 tauchte der Artikel über das Risiko gefährlicher Rhythmusstörungen bei Patienten mit Herzversagen auf.
Plötzlich fiel ihm etwas anderes ein. Er ging zu www.theheart.org und loggte sich mit Benutzernamen und Passwort ein, das originellerweise Pluto101 lautete. Danach klickte er sich zu »Rumours« weiter.
Er leerte ein Glas Mineralwasser, ehe er las:
Oslo, Norway (updated May 7, 2010).
Retired electrophysiologist Professor emeritus Erik Berntsen (70) at National Hospital in Oslo, Norway, has died due to myocardial infarction. Dr. Berntsen was diagnosed with ventricular arrhythmia a few weeks ago. Due to arrythmical complication, he was accepted for an ICD implantation performed this week. He died Thursday morning local time in his hometown Baerum west of Oslo.
A press release from National Hospital yesterday called Dr. Berntsen »a pioneer in Scandinavian electrophysiology« who »served his field of interest with enormous dedication, distinction and effectiveness.«
In her press release, Head of Cardiological Department at the National Hospital, Professor MD Karin Falhus extended sympathies to Berntsen’s family. »We were fortunate to have Dr. Berntsen as a member of the National Hospital Staff, and we are grateful for all he did for us und his many patients. He leaves us far too soon.«
Dem Mann war vor seinem Tod ein Herzstarter eingesetzt worden. Schultz spürte, wie sein Puls sich beschleunigte, und als er sich Wasser ins Glas goss, musste er die Flasche fest umklammern, um nicht zu zittern.
Donnerstagmorgen, dachte er. Erik Berntsen ist am Donnerstagmorgen gestorben.
Das war der Tag, an dem er mit Bill, Melinda und dieser Norwegerin die Pressekonferenz abgehalten hatte. Donnerstagmorgen hatte er eine halbe Stunde damit verbracht, sich über eine am Vortag aufgetauchte E-Mail zu ärgern.
Mittwoch, dachte er, und sein Puls wurde noch etwas schneller.
Die Nachricht über Erik Berntsens Tod war am Mittwoch eingetroffen.
Als Otto Schultz dreimal den Zeitunterschied berechnet und sicherheitshalber noch die Weltzeituhr auf dem Bildschirm überprüft hatte, war sein Puls auf 120 Schläge pro Minute gestiegen.
Die Nachricht, dass Erik Berntsen an einem Herzinfarkt verstorben sei, war mindestens sechzehn Stunden vor dem tatsächlichen Tod des norwegischen Elektrophysiologen in Otto Schultzens streng geheimem Briefkasten gelandet.
21.30 Uhr
Gjettumkollen, Bærum
Ola hatte fast den ganzen Tag geschlafen.
Er war nicht von trotzigen Teenagern, kranken Siebenjährigen und einer mürrischen Guro empfangen worden, sondern war nach seinem Besuch bei Sara in ein leeres Haus gekommen. Auf dem Küchentisch lag ein Zettel. Tarjei war mit Freunden in eine Ferienhütte gefahren. Eine schöne Umschreibung dafür, dass er bei einem Kumpel mit sturmfreier Bude zechte und feierte. Theo war zu einem Handballturnier in Lillestrøm, und Tuva übernachtete bei einer Freundin. Den Zwillingen war es gegen Abend am Vortag besser gegangen, und Guro hatte morgens ihrem Drängen nachgegeben und war mit ihnen ins Domus Athletica zum Schwimmen gefahren.
Nicht besonders klug nach einer Runde Magengrippe, dachte Ola.
Das Haus hätte eine Aufräumaktion vertragen können, aber er war ins Bett gefallen und erst aufgewacht, als Guro ihn gegen vier Uhr nachmittags geschüttelt hatte.
Der ruhige Abend hatte ihm sein Zuhause fast fremd erscheinen lassen. Tarjei, Tuva und Theo würden erst am nächsten Tag nach Hause kommen, und die Zwillinge waren vor einer halben Stunde in die Betten gefallen. Ola hatte vietnamesische Frühlingsrollen gebacken. Die Kinder aßen sie nicht gern, und Guro aß im Moment nur Knäckebrot mit Hüttenkäse, deshalb saß er jetzt da und stopfte sich mit der fünften
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