Kammerflimmern
jetzt Göran Holmströms explantierter ICD untersucht. Vor ihnen lag ein Ausdruck von zwölf kleinen zusammenhängenden Bögen.
»Zuerst Pacing von 350 Schlägen pro Minute für zwanzig Sekunden«, sagte Ola und zeigte auf das Diagramm. »Danach drei Stöße zu 31 Joule.«
»Die aber nur ein Hundertstel so stark sind«, sagte Sara und zeigte auf das Oszilloskop. »0,31 Joule. Genau wie bei Erik. Derselbe Text, Fuck you.«
Beide starrten die unzweideutige Botschaft in der Rubrik an, in der Göran Holmströms Name und Personenkennnummer hätten stehen müssen.
»Wer hat das denn bloß getan?«, stöhnte Ola.
»Und warum? Und wie?«
»Und warum hier bei uns? Warum in aller Welt sollte jemand ein Interesse daran haben ...«
»Jetzt können wir immerhin ausschließen, dass sie es auf Erik abgesehen hatten«, fiel Sara ihm ins Wort. »Holmström ist auf dieselbe Weise ermordet worden.«
»Aber auf wen um alles in der Welt haben sie es dann abgesehen?«
Sara gab keine Antwort.
»Warum sagst du nichts?«, fragte Ola laut. »Du wolltest doch nicht zur Polizei! Hätten wir sofort Alarm geschlagen, wäre jedenfalls Holmströms Leben zu retten gewesen.«
»Wäre es nicht«, sagte Sara gelassen. »Das erste Mal Grund zu wirklicher Unruhe hatten wir in der Nacht auf Samstag, als du zu mir nach Hause gekommen bist. Die Polizei hätte noch nicht einmal die Ermittlung eingeleitet, wenn wir sie gestern verständigt hätten. Und was die Krankenhausleitung und die Gesundheitsbehörden angeht, hätten die vielleicht ein Implantationsverbot verhängt. Aber Holmström hätte seinen ICD schon gehabt. Wie ungefähr ein Dutzend anderer Norweger, seit ich Berntsen operiert habe.«
Ola schob seinen Stuhl plötzlich an Saras Rechner.
»Was hast du vor?«, fragte sie.
»Ich will sehen, ob es weitere Todesfälle gibt«, sagte er. »Ich rufe Haukeland, Ullevål, das Rikshospital, Tromsø, St. Olav, Stavanger, Kristiansand an. Alle Krankenhäuser, in denen Implantationen vorgenommen werden.«
»Jetzt? Am Sonntagabend?«
»In diesen Krankenhäusern muss doch verdammt noch mal irgendwer anwesend sein, der mir erzählen kann, ob sie Todesfälle hatten, gleich nachdem ...«
Er verstummte so abrupt, dass Sara glaubte, ihm sei etwas passiert.
»Ola?«, fragte sie und berührte mit der Hand ganz leicht seinen Rücken.
»Wann hast du Berntsen den ICD eingesetzt?«
»Am Dienstag, das weißt du doch, ich ...«
»Wann? Wann genau?«
»Gegen neun«, sagte sie. »Kurz nach neun.«
»Und Holmström hat seinen bekommen ...«
»So gegen halb zwölf muss das gewesen sein. Ich kann in der Operationsliste nachsehen, aber es war ...«
»Zwei Tage«, rief Ola. »Dieses verdammte Mordprogramm ist auf genau zwei Tage eingestellt.«
»Ich versteh nicht ganz, was du ...«
Dann verstand sie.
»Verdammt«, flüsterte sie. »Zwischen dem Einsetzen des ICD und ihrem Tod sind fast genau achtundvierzig Stunden vergangen.«
Olas Finger hämmerten so wütend auf die Tastatur, dass Sara schon fürchtete, die könnte zerbrechen. Als er alle benötigten Telefonnummern herausgesucht hatte, kopierte er sie auf eine Seite und druckte sie aus.
»Jetzt hilf mir schon«, sagte er und warf den Zettel auf den Tisch. »Du rufst Haukeland an, ich nehme St. Olav in Trondheim. Dann machen wir die ganze Liste durch.«
Vierunddreißig Minuten später wussten sie, dass in dieser Woche im Zusammenhang mit frischen Implantationen keine Todesfälle aufgetreten waren. Nirgendwo im Land und übrigens auch nicht in der vergangenen Woche. Der diensthabende Arzt der Herzmedizinischen Abteilung des Universitätskrankenhauses in Tromsø hatte mürrisch mitgeteilt, er finde die Anfrage befremdlich. Erst als Sara den Hörer übernommen hatte, war er gesprächiger geworden. Niemals, kein einziges Mal habe er im Zusammenhang mit einer Implantation einen Patienten verloren.
»Ich weiß nicht, ob ich erleichtert oder besorgt bin«, sagte Sara, als beide die Hörer auflegten und sich zurücksinken ließen.
»Es ist immer gut, dass Patienten überleben.«
»Natürlich«, sagte Sara gereizt. »Aber es bedeutet doch, dass nur uns dieses Absurde passiert, dieses ...«
»Nur dir«, korrigierte Ola. »Zwei Todesfälle. Zwei Deimos. Eine Ärztin. Du.«
»Willst du damit andeuten, dass ich ... «
»Ich deute gar nichts an. Sara. Ich zähle nur die wenigen Tatsachen auf, die wir bisher haben. Und ich glaube natürlich keine Sekunde, dass du etwas getan hast, was ...«
»Das
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