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Kammerflimmern

Kammerflimmern

Titel: Kammerflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Even Anne; Holt Holt
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möchte ich ja wohl meinen«, unterbrach sie ihn wütend.
    »Ist dir noch nicht der Verdacht gekommen ...«, sagte Ola, dem plötzlich Guros erster Gedanke einfiel, als er ihr am Vorabend alles erzählt hatte, »... dass das hier vielleicht inszeniert worden ist, um ... um dir zu schaden?«
    Ohne ihn anzusehen, ging sie zu den Regalen an der gegenüberliegenden Wand, legte den Kopf schräg und ließ die Finger die Ordner streifen, als suchte sie nach etwas Bestimmtem. »Und wer in aller Welt könnte mir auf so dramatische Weise schaden wollen, dass er zwei meiner Patienten umbringt?«, fragte sie, ohne sich umzusehen.
    »Das kann ich ja wohl nicht wissen.«
    »Ich auch nicht.«
    »Aber kann es denn ein Zufall sein? Dass es in ganz Norwegen zweimal passiert ist und dass beide Male du den Eingriff vorgenommen hast?«
    »Das besagt nur, dass wir dieses ... Problem hier im GRUS haben. Du müsstest doch genug über Statistik wissen, um zu begreifen, dass du nicht aufgrund von zwei Zufällen Schlüsse ziehen kannst, wo wir hier ohnehin nur zu viert ICDs einsetzen.«
    »Aber Sara«, fing Ola an und drehte seinen Stuhl vom Schreibtisch weg. Noch immer kehrte sie ihm den Rücken zu. »Wir müssen ernsthaft darüber sprechen, Alarm zu schlagen. Wir können eine solche Verantwortung nicht allein tragen. Wir brauchen Hilfe, wir brauchen ...«
    »Nein, Ola.«
    Langsam drehte sie sich zu ihm um. »Wo liegt deine absolute Loyalität als Arzt?«, fragte sie gelassen.
    »Bei den Patienten«, sagte er und zuckte mit den Schultern. »Und außerdem soll ich mich loyal verhalten zu den Gesetzen, zum Krankenhaus, zur Leitung, ich soll die ärztliche Ethik einhalten, ich soll ...«
    »Die Patienten«, unterbrach ihn Sara. »Auf alles andere kannst du scheißen. Abgesehen von der Ethik, meine ich. Der ethische Imperativ des Arztes ist nämlich das Beste des Patienten. Immer. Egal, wie. Wenn ein illegaler Zuwanderer in mein Büro stolpert und sagt, er braucht eine Behandlung, die den norwegischen Steuerzahler zweihunderttausend Kronen kostet, dann bekommt er von mir diese Behandlung. Ganz unabhängig von all den absurden Regeln, die meiner medizinischen Aufmerksamkeit nicht wert sind.«
    Ola versuchte ein Lächeln zu verbergen: Im vergangenen Oktober war der Krankenhausdirektor fast Amok gelaufen, nachdem Sara einem staatenlosen Palästinenser einen ICD eingesetzt hatte. Die Behörden hatten den Mann dreimal nach Deutschland ausgewiesen, wo er Asyl beantragt hatte und wo er sich folglich aufhalten müsste, bis die Deutschen sich seiner entledigen könnten. Jedes Mal war er zurück nach Norwegen zu seiner Freundin gekommen. Der Mann hatte wegen eines verletzten Fingers die Notaufnahme aufgesucht und war gerade von einer pflichteifrigen Krankenschwester abgewiesen worden, als er umgefallen war. Sara war zufällig in der Nähe gewesen, hatte sich sofort um ihn gekümmert und ihn für acht Tage zur Beobachtung dabehalten, um ihn dann mit einem ICD und mit genug Medikamenten für mindestens ein Jahr zu versorgen.
    »Ich bin Ärztin, Ola, du bist Arzt.«
    »Das schon«, sagte er unbeholfen, »da kann ich dir zustimmen.«
    »Rede keinen Unfug. Was glaubst du, was passiert, wenn wir Alarm schlagen?«
    Wieder zuckte er mit den Schultern.
    »Die Krankenhausleitung wird sofort alle Implantationen absagen. Jedenfalls wird die nächsthöhere Behörde das tun. Nicht nur hier, sondern vermutlich in ganz Norwegen. Alle Patienten, die in letzter Zeit, vielleicht im letzten Halbjahr, einen ICD oder einen Pacemaker eingesetzt bekommen haben, werden zur sofortigen Untersuchung einbestellt werden. Das wird sie natürlich sehr beunruhigen, was gar nicht gut für sie wäre. Die Polizei wird uns alle Elektronik wegnehmen, Geräte, von denen sie nicht die geringste Ahnung haben. Es werden Menschen sterben, Ola.«
    »Was hast du eigentlich gegen die Polizei?«, fragte er gereizt. »Haben die dir was getan?«
    »Nein. Ich mache mir nur keine Illusionen über ihre Kenntnisse von Kardiologie und avancierter Elektronik.«
    »Die Polizei verfügt heute über weitreichende Mittel. Wir reden hier doch über keine Bongo-Bongo-Organisation, die nicht ...«
    »Ola! Ola!! «
    Ihre scharfe Stimme ließ ihn zusammenfahren. So hatte er sie noch nie erlebt. Wenn sie wütend wurde, senkte sie die Stimme. Wenn sie Verachtung zeigen wollte, wurde sie eiskalt. Jetzt sprühte ihre ganze Gestalt Funken, und sie kam mit zwei raschen Schritten auf ihn zu und beugte sich in einer

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