Kampf Dem Chaos
letzten Achttagen hatte ich mehr Pistolen gesehen als in meinem ganzen Leben zuvor und ich fürchtete mich vor dem, was sie verhießen. Der vermehrte Gebrauch von Pistolen deutete darauf hin, dass die Technik der Feuerwaffen weiterentwickelt wurde, und das wiederum führte zu mehr Ordnung auf der Welt. Irgendwie, so nahm ich an, hing das mit dem ächzenden Chaos unter Candar zusammen, aber wie konnte ich darüber jemals Gewissheit erlangen?
Antona stieg aus der Kutsche, sie trug nicht den Pelzmantel, den ich erwartet hatte, sondern einen langen, grünen Steppmantel.
»Meine Dame ...« Ich verbeugte mich. Schließlich hatte sie einen Schreibtisch für fünfzig Goldstücke in Auftrag gegeben.
»Meister Lerris.« Sie lachte. »Müsst Ihr mir unbedingt immer so viel unverdiente Ehre erweisen?«
»Jeder Kunde verdient diese Ehrerbietung.«
»Besonders, wenn der Kunde noch nicht beliefert ist, was?«, fragte sie milde, die steingrauen Augen musterten mich.
»Dann ganz besonders.«
Sie ging zur Werkstatt und ich neben ihr her. Ich hätte auch hinter ihr gehen können, doch das erschien mir nicht unbedingt notwendig.
»Ihr humpelt gar nicht mehr.«
»Nur noch wenn ich müde werde.« Ich öffnete die Tür für sie.
Sie warf einen Blick in die Werkstatt und dann auf Wegel, der gerade den Wassertopf auffüllte.
»Ist das nicht Fasliks Junge?«
»Ja. Wegel ist sein Name. Ich habe lange nach einem Lehrling gesucht.«
»Ja, gutes Personal ist schwer zu finden ... sogar in meinem Beruf. Vielleicht sollte ich sogar sagen, besonders in meinem Beruf.« Sie knöpfte den Mantel in der warmen Werkstatt auf und ich erhaschte einen Blick auf dieselben Kleidungsstücke – grüne Seidenbluse und abgewetzte, graue Lederhosen und Weste –, die sie schon beim letzten Mal getragen hatte.
»Da ich nicht vertraut bin mit Eurem Beruf ...« Ich neigte den Kopf zur Seite, ohne den Satz zu beenden.
»Jedes Handwerk erfordert tatkräftige Hände und Talent.« Sie blickte Wegel an. »Ihr habt sorgfältig ausgewählt.«
Eine seltsame Bemerkung, denn offenbar kannte sie Wegel und außerdem waren der missgebildete Fuß und sein Humpeln nicht zu übersehen gewesen, als er den Wassereimer zurück in die Ecke trug.
»Ja, das habe ich, meine Dame.«
»Was könnt Ihr mir schon vorzeigen?«
»Nicht so viel, wie ich gehofft hatte, wie Ihr Euch vielleicht denken könnt.« Ich führte sie zu dem Brett auf der Werkbank, auf dem ich meine Pläne und Zeichnungen festgeklemmt hatte. Es dauerte einen Augenblick und ich holte die Skizzen hervor.
»Habt Ihr etwa bisher nur Skizzen gemacht?« Ihre Stimme klang jedoch noch immer freundlich.
»Nein.« Ich lachte. »Ich wollte Euch nur zeigen, wie der Schreibtisch am Ende aussehen soll.«
Ich glättete das Papier. »Kirschholz ist nicht ganz so schwer wie Eiche oder Lorkenholz, aber es ist auch kein leichtes Material und der Aufbau und die Verstrebungen im Inneren des Schreibtisches sind besonders wichtig. Hier sind die vier Hauptstützbalken für den Unterbau, das Prinzip ist auf beiden Seiten das gleiche. Jeder Balken wird auf diese Weise eingekerbt und ...«
»Ich glaube, ich verstehe schon.«
»Gut.« Ich ging zur Werkbank, auf der das Möbelstück langsam Gestalt annahm – zu langsam für meinen Geschmack. »Hier sind die beiden Unterbauten ...«
»Genau wie auf der Zeichnung.«
Das wollte ich doch hoffen.
»Was werdet Ihr als Nächstes machen?«
»Die Schubladen.«
»Warum nicht zuerst die Tischplatte?«
»Die kommt danach. Die Vorderseiten der Schubladen und die Tischplatte werden aus einem Holzstück gefertigt, damit die Holzmaserung in jedem Teil gleich ist.« Ich zeigte auf die Holzregale. »Dort lagert das Holz ...«
»Ist das nicht viel mehr, als Ihr braucht?«
»Ja und auch nein. Ihr zahlt für ein vollkommenes Möbelstück, das zumindest so vollkommen ist, wie es in meiner Macht steht.« Bei dem Ausdruck ›vollkommenes Möbelstück‹ lächelte sie versonnen. Etwas irritiert fuhr ich fort: »Dazu ist viel Holz notwendig, denn die Breite der Maserung soll auf allen sichtbaren Oberflächen die gleiche sein. Oft dauert es eine ganze Weile, bis man das richtige Holz findet. Gute Schreinerarbeit beginnt beim Material.«
Hinter Antona nickte Wegel.
»Alles beginnt beim Material.« Antona lächelte. »Das habe auch ich früh gelernt.«
Da ich nicht wusste, was ich dazu sagen sollte, nickte ich einfach nur.
»Ihr seid weiter, als ich dachte, Lerris, ich habe nämlich die Berichte
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