Kampf dem Kamikaze-Kapitalismus: Es gibt Alternativen zum herrschenden System (German Edition)
als man noch dem Cartesianischen Dualismus einen Schlag versetzen und dabei das Gefühl haben konnte, man habe dadurch für die Unterdrückten auf der ganzen Welt eine Lanze gebrochen.
Über das Konzept der immateriellen Arbeit
Das Konzept der immateriellen Arbeit kann relativ schnell entsorgt werden. In vielerlei Hinsicht ist es eindeutig absurd.
Die klassische Definition von Maurizio Lazzarato lautet, immaterielle Arbeit sei »diejenige Arbeit, durch die die informationelle und kulturelle Dimension einer Ware hervorgebracht wird«. Die »informationelle Dimension« bezieht sich darauf, dass in den Bereichen Produktion und Marketing
zunehmend neue Formen der »Kybernetik und Computersteuerung« wichtig werden. Demgegenüber umfasst die »kulturelle Dimension« der Arbeit das »Vorgeben und Festlegen kultureller und künstlerischer Normen, Moden, Vorlieben, Konsumgewohnheiten und, in strategischerer Weise, der öffentlichen Meinung«, was in zunehmendem Maße sowieso jeder die ganze Zeit tut. 17 Kern dieser Argumentation ist die Behauptung, dass diese Art von Arbeit im zeitgenössischen Kapitalismus, im Unterschied zu früher, inzwischen eine zentrale Stellung einnimmt. Zum einen, weil die »immateriellen Arbeiter«, also all diejenigen, die »im Bereich Werbung, Mode, Marketing, TV, Kybernetik und so weiter« tätig sind, immer mehr werden und eine zunehmende Relevanz erlangen; erst recht aber, weil wir inzwischen alle zu immateriellen Arbeitern geworden sind. Wir verbreiten Informationen über Markennamen, kreieren Subkulturen, lesen Fanzines, besuchen Websites oder entwickeln unseren eigenen Stil. Als Folge hieraus beschränkt sich der eigentliche Produktionsvorgang nicht mehr ausschließlich auf Fabriken, zumindest wenn man unter Produktion die Schaffung des Werts einer Ware versteht, das, wodurch eine Ware zu etwas wird, was man kaufen möchte. Vielmehr hat sich die Produktion auf die Gesellschaft als Ganzes ausgeweitet. Wert als solcher ist somit überhaupt nicht mehr messbar.
Bis zu einem gewissen Grad kann diese ganze Argumentation lediglich als eine sehr viel komplexere linke Version des allseits bekannten popökonomischen Geredes über den Aufstieg der Dienstleistungswirtschaft angesehen werden. Doch sie hat auch eine ganz spezifische Geschichte, die darauf zurückgeht, dass der italienische Operaismus in den 1970er und 1980er
Jahren vor mehreren Dilemmas stand. Einerseits wurde, beispielsweise von Negri, hartnäckig die leninistische These vertreten, dass die revolutionäre Klasse sich stets aus dem »fortschrittlichsten« Teil des Proletariats bilden muss. Computerspezialisten und andere Informationsarbeiter waren insofern natürlich naheliegende Kandidaten. In den gleichen Zeitraum fiel jedoch das Aufkommen des Feminismus und der Lohn-für-Hausarbeit-Bewegung, wodurch das Problem der unbezahlten häuslichen Arbeit Eingang in die politische Debatte fand und fortan nicht mehr einfach ignoriert werden konnte. Die Lösung bestand nun darin zu behaupten, dass Computerarbeit und Hausarbeit ja im Grunde ein und dasselbe seien. Oder genauer gesagt, dass sie sich mehr und mehr annäherten, denn, so wurde behauptet, durch die zunehmende Verbreitung arbeitssparender Geräte ginge es bei der Hausarbeit inzwischen immer weniger um simple Plackerei, sondern stattdessen verstärkt um das Management von Mode, Geschmack und Stil. Aus diesen Überlegungen heraus entwickelte sich ein höchst merkwürdiger Denkansatz, in dem sich eine Art hektischer Postmodernismus mit einem höchst plumpen, altmodischen, marxistischmaterialistischen Determinismus mischte. Beide Elemente möchte ich im Folgenden nacheinander aufgreifen.
Postmoderne Argumentationsgänge, zumindest wie ich sie definieren würde, nehmen fast immer dieselbe Form an:
Normalerweise wird im Rahmen einer solchen Argumentation von einer äußerst eng gefassten Version der Vergangenheit ausgegangen, die sich häufig aus der Lektüre eines kanonisierten Texts ableitet. Dieser wird als präzise und umfassende Beschreibung der herrschenden Realitäten der damaligen Zeit aufgefasst. So wird beispielsweise angenommen (dies ist ein besonders verbreitetes Vorgehen),
dass der Kapitalismus bis in die 1960er oder 1970er Jahre hinein genau so funktionierte, wie in den ersten zwei oder drei Kapiteln des ersten Bands von Marx’ Kapital beschrieben.
Diese Darstellung wird anschließend den komplexen Gegebenheiten der heutigen Welt gegenübergestellt (oder es wird
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