Kampf für Freiheit
sprang zur Seite und hörte ein Zischen, als die Klinge ganz nah an seinem Ohr vorbei durch die kühle Morgenluft sauste. Er rannte auf die Mitte des Decks zu und drehte sich dann wieder zu Spiro um, als der vornübergebeugt auf ihn zugelaufen kam.
»Renn du nur, Junge. Früher oder später krieg ich dich.«
Marcus schaute zur Seite und sah die dunklen Linien der Taue am Mast, die auf eine Reihe schwerer hölzerner Stifte zuliefen. Er blickte gerade noch rechtzeitig zurück, um zu sehen, dass Spiro erneut angriff. Diesmal lehnte sich der Matrose weit vor, holte mit dem Messer aus und zielte auf Marcus’ Gesicht, sodass der zurückweichen musste.
Die kleine Zuschauermenge wich zur Seite, als der Matrose seinen Gegner in Richtung Heck verfolgte.
»Hier, Kleiner!«, rief eine Stimme, und Marcus hörte, wie ein Messer klirrend neben ihm auf den Planken landete. »Nimm das!«
Marcus ging in die Knie, packte das Messer und wich dabei einem weiteren Angriff aus. Diesmal feuerten einige der Matrosen ihn an. Sie zolltem dem Jungen Bewunderung dafür, wie flink er sich Spiros Attacken entzog. Aber Marcus wusste, dass die Zeit auf der Seite des Matrosen war. Schließlich würde der Mann ihn in die Ecke drängen, und dann wäre alles aus. Spiro würde ihn auf der Stelle niederstechen und seine Leiche über die Reling ins Meer werfen.
Marcus wich dem Mann erneut geschickt aus, rannte um ihn herum und flitzte dann zurück zu der Seite des Schiffes, wo er die Taue hatte hängen sehen. Dort wandte er sich wieder zu dem Matrosen um. Schwer keuchend kam Spiro mit großen Schritten auf Marcus zu. Die Verfolgungsjagd hatte ihn sehr angestrengt. Er schüttelte spöttisch den Kopf und schob eine dicke Haarsträhne zurück, die ihm über ein Auge gefallen war.
»Du hast ein Messer, aber weißt du auch, wie man es benutzt?«
Marcus schluckte aufgeregt. »Warum kommst du nicht näher und findest es raus?«
Spiro machte einen Ausfall mit seiner Klinge. Marcus streckte sein Messer mit beiden Händen vor, um den Angriff zu parieren, und machte einen Schritt zurück zur Schiffswand. Er hielt jetzt das Messer mit der Linken, ließ seine rechte Hand sinken, tastete hinter sich nach einem der hölzernen Stifte und zog ihn aus der Halterung.
Der Matrose stand nur noch eine Armlänge von ihm entfernt. Er breitete die Arme weit aus, als wollte er Marcus einfangen, ganz gleich wohin der zu rennen versuchte.
»Zeit, dass du dem alten Spiro den Preis für das geklaute Essen zahlst«, knurrte er.
Das Herz klopfte Marcus bis zum Hals. Jetzt war der Augenblick gekommen, an dem er zuschlagen musste. Doch er wusste, dass er im kritischen Moment die Aufmerksamkeit des Matrosen ablenken musste. Er ließ die linke Hand sinken.
»Bitte tu mir nicht weh«, flehte er leise. »Ich gebe auf.«
Er warf das Messer aufs Deck, gleich hinter den Matrosen. Instinktiv schaute der Mann zurück und nach unten. Dabei fiel ihm das Haar wie ein Vorhang vors Gesicht. Genau in dieser Sekunde schnappte sich Marcus den Stift, sprang vor und hieb den schweren Holzklotz mit aller Kraft gegen Spiros Schläfe. Stöhnend sackte der Matrose auf die Knie und sein Kopf fiel nach hinten. Das Messer glitt ihm aus der Hand, und er schaute Marcus benommen an, ehe er bewusstlos vor dem Jungen hinsank.
Nach kurzer Stille pfiff einer der Matrosen leise und anerkennend. Dann gab ein weiterer Mann seiner Begeisterung Ausdruck und einige weitere johlten. Ein rauer Chor von zustimmenden Zurufen erschallte. Marcus schaute sich um und sah auf den Gesichtern der Umstehenden belustigte Bewunderung. Viele lächelten ihn an und er verspürte eine Welle von überschäumender Freude und Triumph in seinem Herzen. Dann blickte er auf den Mann, der zu seinen Füßen lag. Vor wenigen Augenblicken war der Matrose noch darauf aus gewesen, Marcus ohne Gnade zu töten. Der Junge betrachtete ihn mit kaltblütigem Hass. Dann lehnte er sich nach unten und hob das Messer auf, das man ihm zugeworfen hatte.
Einen Augenblick lang wusste Marcus nicht, was er nun tun sollte. Dann stieg von irgendwo in seinem Inneren der finstere Drang nach Rache auf. Es ging nicht nur um Rache an diesem Matrosen, sondern er verspürte den brennenden Wunsch, sich an all denen zu rächen, die ihn in die gegenwärtige Situation gebracht hatten, die ihn von seiner Mutter getrennt hatten, von seinem Zuhause und der warmen, liebevollen Geborgenheit des idyllischen Lebens auf dem Bauernhof. Marcus holte tief Luft und hob das Messer,
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