Kampf für Freiheit
der Alpen. Er war drei oder vier Jahre älter als Marcus und sehr viel größer und breiter. Er sprach Latein mit einem rauen Akzent und stolzierte ausgesprochen angeberisch herum, wenn er die Jungen jeden Morgen zum Appell führte. Von Anfang an hatte er eine Abneigung gegen Marcus gefasst, gleich als sie zum ersten Mal miteinander sprachen, kurz nachdem Marcus angekommen war. Marcus war gerade auf der Latrine fertig und auf dem Weg zurück in sein Abteil, als Ferax und seine vier Spießgesellen ihm den Weg verstellten.
»Sohn eines römischen Zenturios, was?«, höhnte Ferax. »Mir kommst du eher wie der Sohn einer Kanalratte vor.«
Seine Gefährten lachten. Marcus blitzte sie an und ballte die Fäuste. Er wollte keinen Streit mit dem größeren Jungen anfangen, aber andererseits wollte er diese Beleidigung auch nicht einfach so hinnehmen.
»Falls du es nicht weißt, ich heiße Ferax«, sagte der Kelte und deutete mit dem Daumen auf seine Brust. »Das ist meine Bande. Die beiden hier sind Kelten wie ich.« Er zeigte auf die zwei großen blonden Jungen neben ihm. Dann machte er eine Kopfbewegung zu den anderen beiden, die dunkelhäutig und schmal waren. »Und die beiden hier haben sie im Elendsviertel Subura in Rom aufgesammelt. Zähe Burschen.« Er machte einen Schritt nach vorn und reckte den Kopf vor. Er stand jetzt Nase an Nase mit Marcus. »Jetzt will ich dir mal die Regeln erklären, Kanalratte. Meine Kumpel und ich bekommen immer die erste Portion vom Proviant. Und wenn ich das will, dann übernehmt ihr, du und die anderen, nach der täglichen Ausbildung unsere Pflichten für uns. Ihr holt uns zum Beispiel das Wasser oder macht unsere Ausrüstung sauber.«
»Du kannst dir dein eigenes Wasser holen«, antwortete Marcus.
»Oh!« Ferax lachte leise. »Das ist aber ein ganz zähes Bürschchen, Jungs! Lass dich warnen. Der letzte Junge, der sich geweigert hat, meine Befehle auszuführen, hat sich eine ordentliche Tracht Prügel eingehandelt. Seit sich das herumgesprochen hat, sind all die anderen Jungs ganz artig. Tu, was ich dir sage, dann geschieht dir nichts. Sonst …« Ferax trat einen Schritt zurück und schüttelte seine Faust vor Marcus’ Gesicht. »Sonst breche ich dir damit die Nase. Kapiert?«
Marcus stand reglos da und starrte schweigend zurück. Ferax nickte und wandte sich dann zu seinen Kumpeln um. »Gut, die Begrüßung ist vorbei. Wir lassen ihn jetzt.«
Als sie fortgingen, presste Marcus die Lippen zusammen. Er würde Ferax sorgfältig beobachten und ihm so weit wie möglich aus dem Weg gehen müssen. Trotzdem verspürte Marcus den übermächtigen Wunsch, sich ihm entgegenzustellen.
Aber jetzt war es dafür noch zu früh. Später, wenn er selbst kämpfen gelernt hatte und wusste, wie man mit Gegnern umgeht. Dann würden schon alle sehen, wie großartig dieser Kelte wirklich war.
Während die Männer den ganzen Tag draußen trainierten, wurden den Jungen vor und nach den Übungsstunden jeden Tag Pflichten beim Kochen und Saubermachen zugeteilt. Marcus schickte man in die Küche. Hier warteten schwere und niedrige Arbeiten, die er ohne zu klagen erledigte. Die ganze Zeit über waren seine Gedanken darauf gerichtet, dass er aus dieser Schule entfliehen und den Weg nach Rom finden musste. Er dachte an seine Mutter, die dazu verdammt war, auf Decimus’ Landgut zu schuften. Das Herz wurde ihm schwer, wenn er an sie dachte, und er wusste, dass auch sie sich bestimmt um ihn sorgte.
Nicht, dass sie ihn noch wiedererkennen würde, überlegte er traurig. Wie allen anderen, die an jenem ersten Morgen aus dem Zellenblock getreten waren, hatte man auch Marcus zwei graue Tuniken und zwei Paar Stiefel ausgehändigt, die jeweils am Absatz mit einer eingebrannten Kennzahl markiert waren. Alle ihre anderen Kleidungsstücke hatte man ihnen weggenommen – die besseren wurden bei einem Händler am Ort verkauft, die anderen verbrannt. Dann hatte man Marcus grob den Kopf geschoren. Nun sahen alle Schüler hart und brutal aus und ließen sich nur schwer voneinander unterscheiden, wie die aneinandergeketteten Arbeitstrupps von Strafgefangenen, die man in die Bergwerke schickte. Marcus fand es furchtbar, dass man ihm das Haar geschnitten hatte. Der Sklave, der es gemacht hatte, hatte seine Schere mit sehr wenig Geschick geführt und ihn einige Male in die Kopfhaut geschnitten. Aber selbst diese Quälerei war nichts verglichen mit dem, was danach kommen sollte.
Sobald die Jungen benommen und mit blutenden
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