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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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die glänzende Messingarmaturen hatte und saubere Pinsel und silberne Farbtuben enthielt, dazu mehrere kleine Messer, einige weiße Lumpen und dunkle Fläschchen, Spielkarten mit rotem Rücken, eine Schachtel Export-A-Zigaretten und einen kleinen silbernen Flachmann. Hoch oben am Himmel tauchte ein blitzender Fleck Flugzeug aus den ziehenden Wolken auf, langsam ostwärts vorankommend, die Sonne auf den Flügeln. Mein Vater hatte mich auf dem Stützpunkt der Nationalgarde einmal in ein Kampfflugzeug gesetzt, eine Scorpion F-89, mir einen Pilotenhelm übergestülpt, mich das Steuer in die Hand nehmen und glauben lassen, ich könnte sie fliegen. Ich überlegte, was man wohl aus dem Flugzeug sah. Wie sich der Erdball wegkrümmte? Die Rocky Mountains und den Missouri? Die Cypress Hills, den Saskatchewan River und Fort Royal und Partreau und Great Falls und alles dazwischen? Alles ganz klar auf einen Blick.
    »Arthur hat mir von deinen Schwierigkeiten erzählt. Deine armen Eltern und all das«, sagte Florence. Sie nahm eins der dunklen Fläschchen heraus. Dann kippte sie die Flüssigkeit aus ihrer Blechdose einfach so auf die Manitoba Street, schraubte den Deckel des Fläschchens auf und schüttete klare Flüssigkeit in die Dose. »Du wirst eine interessante Lebensgeschichte zu erzählen haben. Du wirst den hübschen Mädchen gefallen. Wir mögen Männer mit einer dunklen Vergangenheit. Mein Vater hat in Manitoba einmal im Gefängnis gesessen. Aber er hatte, glaube ich, nichts gestohlen.«
    Sie steckte ihren Pinsel in die Dose und schwenkte sie und schaute noch einmal ihr Bild an, auf dem das Postamt der einzige vollendete Teil war. »Und noch mal andererseits«, sagte Florence, ganz vertieft in ihre Reinigungsvorgänge, »könnte Arthur in dir natürlich auch sich selbst sehen. Eine reinere Version. Ich käme nicht auf diese Idee. Aber Männer sind so. Und, vierte Möglichkeit, manchmal tun und sagen die Menschen Dinge, ohne zu wissen, warum eigentlich. Dann hat das, was sie tun, Auswirkungen auf das Leben anderer, und später sagen sie, das sei ihnen alles bewusst gewesen, aber es war gar nicht so. Wahrscheinlich hat dich deine Mutter deshalb hier hoch geschickt. Sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte. Tja. Und jetzt bist du eben hier. Das sollte dich nicht entmutigen. Ich bin auch Mutter. So etwas gibt’s. Wie alt bist du, mein Junge?«
    »Fünfzehn.«
    »Und du hast eine Schwester, die weggelaufen ist?«
    »Ja, Ma’am.«
    »Wie heißt sie?«
    »Berner.«
    »Ich verstehe.« Sie stellte ihre Blechdose mit dem Pinsel darin zurück auf den Boden, nahm ein Messer und ein Tuch aus der Malerkiste und machte sich daran, die Farbkleckse von ihrer Palette zu kratzen und die Farbe an dem Tuch abzuwischen. So ein Gespräch wie dieses hatte ich noch nie geführt, in jeder Hinsicht. Berner, wo immer sie jetzt war, führte wahrscheinlich ähnliche Gespräche, dachte ich – darüber, warum die Dinge so waren, wie sie waren, und was man deswegen unternehmen konnte. Bei Gesprächen mit Erwachsenen, die nicht die eigenen Eltern waren, kommt einfach mehr heraus.
    »Woher kennen Sie Mr Remlinger?«, fragte ich.
    Florence lehnte ihre abgekratzte Palette unten an die Staffelei und drückte den Pinsel behutsam in dem weißen Baumwolltuch aus. Dafür kniete sie sich auf den Asphalt. Ich blieb neben ihr stehen. »Wenn ich überhaupt so weit zurückdenken kann.« Sie lächelte zu mir hoch. Ihr Stoffhut – weicher schwarzer Samt – war ihr vom Wind aus der Stirn geschoben worden. Das unfertige Gemälde, immer noch auf der Staffelei, bekam auch eine Bö ab. »Ich … habe Arthur in der Bar vom Bessborough Hotel in Saskatoon kennengelernt, 1950. Damals war ich mit einem französischen Maler zusammen. Einem Aquarellisten. Jean-Paul oder Jean-Claude. Wir waren bei einem Footballspiel gewesen, das finde ich immer klasse. Dann ärgerte er sich über mich – ich hatte irgendetwas gesagt – und ließ mich stehen. Doch Arthur war schon da, in der Bar, blond und gutaussehend und kultiviert und gutgekleidet und klug und eine Spur exzentrisch für einen jüngeren Mann, aber auch irgendwie ein Gentleman und etwas geheimnisvoll. Er hatte etwas reizvoll Dramatisches an sich. Und er wirkte wütend und gelangweilt und fehl am Platz – leicht verwirrend –, das finden Frauen immer attraktiv. Er lebte aus irgendeinem Grund hier und hatte keine Ahnung, was er mit sich anstellen sollte. Ich hätte das Taxi zurück nach The Hat knapp nicht bezahlen

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