Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
Vom Netzwerk:
können. Ich hätte mit dem roten Bus nach Swift Current fahren und dort umsteigen müssen. Aber er hatte ein nettes Auto – Oldsmobile. Das Hotel gehörte ihm damals noch nicht. Er arbeitete nur da. Und das war alles. Was hab ich gesagt? 1950? Da war er in den Zwanzigern. Ich war ein bisschen älter. Und dünner. Meine Mutter arbeitete da noch bei Lepke’s. Ich hatte noch ein Kind zu Hause sitzen – das jetzt in Winnipeg ist. Da hast du meine Lebensgeschichte, live und in Farbe.« Sie lächelte wieder zu mir hoch und räumte weiter ihre Malutensilien in die Kiste ein, ihre rotbemalten Finger bewegten sich flink hin und her. Ich versuchte, aus dem, was sie gesagt hatte, ein klareres Bild von Arthur Remlinger zu bekommen und es auf den Mann zu beziehen, den ich vor kurzem erst kennengelernt hatte. Es gelang mir aber nicht. Er hatte immer noch nichts Charakteristisches für mich.
    »Ich werde bald nach Fort Royal ziehen«, sagte ich, irgendetwas wollte ich nun auch sagen, denn ich hatte sie etwas gefragt, und sie hatte geantwortet.
    »Was mein brillanter Vorschlag war«, sagte Florence, immer noch auf Knien. »Arthur denkt, dir geht es prima hier draußen – in deinem kleinen Wigwam. Bestimmt ist es auch ganz interessant, hier draußen allein zu leben. Sehr romantisch. Aber wenn die Jäger kommen, ist das nichts mehr für dich. Ich kann mich nicht richtig um dich kümmern, aber ich kann versuchen, ein bisschen auf dich zu achten. Deine Mutter wäre mir dankbar.«
    Das stimmte. Ich glaube, meine Mutter hatte angenommen, dass so etwas passieren würde – dass ich irgendjemandem auffallen würde, der sah, dass ich etwas wert war, und mich nicht verloren geben würde. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand, der etwas wert war, für immer verloren sein konnte, auch wenn man sich nicht immer so ganz erklären konnte, warum man dort war, wo man war usw. »Warum ist Mr Remlinger hier?«, fragte ich.
    Florence stand steif auf – sie war nicht sehr groß und nicht so schlank wie meine Mutter. Sie klopfte sich die braune Cordhose ab, schüttelte sich von Kopf bis Fuß, klatschte ihre Arme ab und schlug auch ein paarmal auf ihren Schlapphut, als sei ihr kalt geworden. Ich hatte meine Karojacke an. Es war aber wirklich kälter jetzt. »Das muss wohl Kanada sein hier draußen.« Sie grinste. »Man fährt nicht immer bewusst irgendwohin«, sagte sie. »Manchmal landet man auch einfach dort. Wie Arthur. Er ist einfach hier gelandet. ›Ich fahre nicht nach Amerika, ich verlasse Paris.‹ Das hat der große Künstler Marcel Duchamp gesagt, der mein Bild sehr drollig fände.« Sie sah sich ihr Gemälde vom Postamt und der leeren Straße an, die in die Ferne führte – die Szene vor unseren Augen. »Aber ich mag es«, sagte sie. »Was nicht für alles gilt, was ich male.« Sie trat einen Schritt zurück, musterte das Bild aus dem Augenwinkel, dann wieder direkt.
    »Ich mag es auch«, sagte ich. Mir fiel ein, wenn ich nach Fort Royal zog, würde ich Florence häufiger sehen, dann könnten sich die Dinge in meinem Leben vielleicht positiver entwickeln, Arthur Remlinger eingeschlossen, den ich gern besser gekannt hätte.
    »Ich weiß, dass es für dich hier oben sehr seltsam ist, mein Junge«, sagte Florence. »Aber nimm’s einfach Flosophisch. Okay? Den Spruch hab ich immer zu meinen Kindern gesagt. Sie konnten ihn irgendwann nicht mehr hören. Aber er stimmt trotzdem.« Sie deutete auf ihren Metropolitan. »Wenn du mir dabei hilfst, den ganzen Kram zu meinem kleinen Auto zu tragen, dann nehme ich dich in die Stadt mit und du bekommst was zum Abendessen. Charley kann dich wieder herfahren. Du bist hier draußen jetzt nur noch Kurzzeitgast. Morgen kannst du im Hotel einziehen.« Sie hob ihre Malerkiste hoch. Ich nahm die Leinwand von der Staffelei, griff mir die Blechdose, den Holzhocker und die Staffelei, und wir gingen zu ihrem Auto. Das war mein letzter Tag in Partreau.

51
    Drei wichtige Dinge befanden sich in dem dicken Polsterumschlag, den Mildred Remlinger an ihren Bruder adressiert hatte, Mr A. Remlinger, Esquire, und der eigentlich an mich gerichtet war. Erstens ein Brief von meiner Schwester Berner, der in unserem leeren Haus angekommen und dort von Mildred gefunden worden war – sie hatte, nachdem wir alle längst fort waren, immer noch ab und zu in den Briefkasten geschaut. Auch von Mildred selbst lag eine kurze Nachricht bei:
    Lieber Dell,
    Beiliegendes von Interesse, aber bedauerlich. Ich werde zu ihrer

Weitere Kostenlose Bücher