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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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bloß sein erstes Schicksal. Und natürlich hat er nun Todesangst.« Charley sah auf den steif werdenden Gänsekadaver hinunter, der vor ihm auf der Bahnschwelle lag, hob seine frischgeschliffene Axt und knallte sie auf den Gänsehals. Den Kopf fegte er zu Boden, für den Hund.
    Einzelne Elemente unter den Recht-auf-Arbeit-Verschwörern bemühten sich, ein Versteck für Arthur zu finden. Keiner suchte nach ihm. Aber Arthur glaubte, irgendwann würden sie kommen, und die Vorstellung, gefasst zu werden, war für ihn unerträglich. Die Verschwörer meinten zudem, er würde kaum durchhalten, er sei unberechenbar und eine Gefahr für sie alle. Arthur, das gab er zu, wusste nicht, warum sie ihn nicht gleich an Ort und Stelle umgebracht und auf der Farm in Elmira verscharrt hatten. »Was ich gemacht hätte, ohne es mir zweimal zu überlegen«, sagte Charley.
    Stattdessen aber wurde der Besitzer vom Leonard angesprochen, ein kleiner durchtriebener, ungestümer Mann namens Herschel Box, für den Charley als Junge gearbeitet hatte. Er sollte Arthur in Saskatchewan verstecken. Box war ein älterer Mann, ein Einwanderer aus Österreich, der die gefährlichen Neigungen der Verschwörer aus Elmira und Chicago teilte und schon bereitwillig bei manchen Störmanövern südlich der Grenze mitgemacht hatte – einem Wohnhausbrand in Spokane, bei dem ein Mensch umgekommen war, einem Raubüberfall, einer Schlägerei. Box erklärte sich bereit, Arthur Remlinger zu nehmen, weil er einen deutschen Namen trug und weil er in Harvard gewesen war und Box ihn für intelligent hielt.
    Arthur fuhr im Herbst 1945 mit dem Zug von Ottawa nach Regina, wurde von Box abgeholt und zu dem kleinen Schuppen im damals noch bewohnten Partreau gebracht, und dort fing sein neues Leben in Kanada an.
    Arthur hatte gearbeitet so wie ich, war mit dem Fahrrad in die Stadt gefahren, hatte geputzt und Aufträge für die Sportsfreunde ausgeführt, die Box im Hotel unterbrachte und für die Gänsejagd zahlen ließ. Er ging allerdings nicht selber auf die Gänsefelder oder nahm die Tiere aus oder hob Gänsegruben aus so wie ich. Box fand, Arthur sei nicht stark genug für schwere Arbeiten, und machte ihn zum Empfangschef und später zum Buchprüfer und Nachtmanager, bis er, Box, nach Halifax zu seiner verlassenen Ehefrau samt Tochter zurückkehrte. Arthur wurde die Leitung des Leonard allein übertragen. Er erzählte, er habe Box drei Jahre lang jede Woche Quittungen geschickt, bis dieser starb und das Leonard überraschend ihm hinterließ: Offenbar hatte Box ihn mit der Zeit schätzen gelernt, wollte ihn schützen und behandelte ihn nun wie einen Sohn. »Aber keinen normalen Sohn«, betonte Charley. »So einen Sohn wollte ich nicht haben.«
    Arthur jedoch war nie glücklich dort – in Box’ kleinen Zimmern mit Prärieblick, mit seinem grünen Papagei Samson, der im Wohnzimmer auf einer Stange saß, und komplett abgeschnitten von seinem früheren Leben. Er sehnte sich nach Harvard und hatte immerzu Angst, irgendwelche Fremden würden kommen und ihn für seine »nicht wiedergutzumachende Tat« und seine »Ansichten« bestrafen. Die, sagte er, hätte er sich doch nur ausgedacht, um seine Lehrer und Professoren zu beeindrucken, genau wie vorher seine Schriften. Er fand, er hätte es schaffen müssen, all das zu überwinden und Anwalt zu werden. »Bloß dass dabei zufällig ein Mann draufgegangen ist«, sagte Charley. Aber das schien unwichtig zu sein.
    Laut Charley versank Arthur mit der Zeit immer mehr in düsterer Wut und Depressionen, weil sich sein ganzes Leben ungerechterweise nur noch um eines drehte: seine kurze Laufbahn als Mörder; und das, obwohl ihn, wie er fand, so viel mehr ausmachte! Nur ließ sich dieses eine eben nicht mehr ändern oder wiedergutmachen. Arthur fand sich viel reifer als früher. Aber seine Reife dürfe wohl nicht ins Gewicht fallen. Charley meinte, Arthur wäre besser ins Gefängnis gegangen und hätte für seine Tat bezahlt, dann wäre er heute frei und könnte in Amerika leben, wo er hingehörte, statt in einer kleinen Präriestadt, wo ihm die Menschen misstrauten und ihn nicht mochten, als »Restposten« (Charley benutzte dasselbe Wort wie unser Vater). Die Leute in der Stadt hielten Gerüchte im Umlauf, in denen er als exzentrischer Millionär, als Homosexueller oder als Außenseiter bezeichnet wurde, der regelmäßig nach Amerika verschwände, um für irgendjemand Wetten abzuschließen (was nicht stimmte), oder der von ausländischen

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