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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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hinein, um sie in die Kühltruhe zu werfen – aber beinahe hätte ich ihn bewundert.
    »Ein Mann, der sich vor seiner wohlverdienten Strafe wegducken will, ist rücksichtslos«, sagte Charley. Er wandte mir seinen breiten Rücken zu, und ich sah seine funkelnde Haarspange im Dunkeln. »Davon weißt du nichts«, knurrte er. »Du hast von nichts eine Ahnung.«
    Es war unglaublich kalt in seiner Nissenhütte, alles fühlte sich steif an, es schmerzte geradezu. »Was sollte ich denn wissen?«, fragte ich. »Was könnte er mit mir vorhaben?«
    Charley Quarters drehte sich um, die Arme voller grauer, gerupfter Gänseleichen. Er lächelte so herzlos wie am ersten Abend, als wir im Truck über die dunkle Straße nördlich von Maple Creek gefahren waren, als er meine Hand gepackt und fast zerquetscht hatte und ich nur rausspringen und wegrennen wollte. »Ich hab’s dir gesagt. Es sind Männer hierher unterwegs, jetzt im Augenblick. Er versteht seine Lage. Er versteht sich selbst besser, als ich ihn verstehe. Aber er ist schwach. Ich kann’s ihm nicht verdenken.« Charley schob mit dem Ellbogen den schweren Kühltruhendeckel auf. Drinnen lagen weißgefrorene Gänse, so hart wie Silberbarren. Ich tat es ihm nach und wandte mich schnell wieder der hellen Tür der Hütte zu. Ich war nicht gern mit ihm allein. Wer weiß, was er urplötzlich anstellte.
    Die Männer – zwei, sagte Charley, als er mich mit dem Truck nach Fort Royal zurückbrachte – kamen aus Detroit in Amerika, dem Tatort von Remlingers Verbrechen vor fünfzehn Jahren. Arthur hatte ihm gegen Ende des Sommers davon erzählt, als die Interessenvertreter, die Verbindung zu ihm hielten, ihn gewarnt hatten. (Sie hielten ihn immer noch für unberechenbar, räumte Arthur ein.) Die Polizeiakte war seit langem geschlossen. Aber es gab Leute, die wachsam blieben, die Augen und Ohren offen hielten. Und unerwarteterweise war Arthur Remlingers Name gefallen. »Ein Zufallstreffer, schlicht und einfach«, sagte Arthur. Es bestand kein Verdacht, durch den er als Täter oder auch nur als offizieller Zeuge in Frage kam. Das Ganze musste als Privatangelegenheit gehandhabt werden. Die Familie des ermordeten Mannes und die anderen Gewerkschaftler waren inzwischen im hohen Alter, und sie hätten Arthur diesen Mord niemals zugetraut. Aber als sein Aufenthaltsort herauskam – eine kleine abgelegene Stadt in Saskatchewan, wo er allein und ohne nachvollziehbaren Grund in einem Hotel wohnte – und dass er Verbindungen zu dem alten, inzwischen verstorbenen Herschel Box gehabt hatte, dessen Name in ihren Kreisen bekannt war, da fingen sie an, eins und eins zusammenzuzählen, andere Dinge, die man von ihm wusste, kamen dazu (der Streit mit dem Gewerkschaftsmann vor Jahren, die Flugblätter, seine Zeit als Unruhestifter in Harvard), und auf einmal war es doch eine gute Idee, sich diesen Remlinger, einen Amerikaner, der komischerweise Kanadier geworden war, mal in Fleisch und Blut anzuschauen. Wenn irgendjemand ihn unbemerkt beobachten könnte – sich in sein Leben einschleichen –, ließe sich vermutlich einschätzen, ob er ein Verbrecher war. Und danach – angenommen, man hielte ihn für schuldig oder zumindest für einen Komplizen – könnte man diskutieren, was man mit ihm machen solle. »Der scheint zu glauben, ich würde nur für sein vermasseltes Leben leben«, schnaubte Charley auf der Fahrt.
    Arthur fand, er müsse sich keine Sorgen machen – zwei Männer, die hergeschickt würden, um ihn sich anzuschauen . Am besten benähme er sich so normal wie möglich – also weder weglaufen noch irgendwas zugeben oder sich in irgendeiner Weise belastend verhalten, damit die Männer gar nicht auf die Idee kommen konnten, er hätte wirklich die Gewerkschaftshalle hochgejagt. (Was er aber tatsächlich getan hatte, sagte Charley, »denn so was würde keiner erfinden«.)
    Die beiden Männer, die auf dem Weg waren – quer durch den Mittleren Westen in einem schwarzen Chrysler New Yorker, dann nordwärts und über die Grenze nach Kanada herein –, verfolgten ihren Auftrag angeblich mit wenig Überzeugung. Ihre Namen kannte man schon. Crosley – er war der junge Schwiegersohn des ermordeten Vincent; und ein älterer pensionierter Polizeibeamter, Jepps – kein Familienmitglied, aber mitgefahren, um die Dinge unter Kontrolle zu halten. Die beiden rechneten kaum damit, dass Remlinger ihr gesuchter Mann war. Sie machten den weiten Ausflug nach Saskatchewan als eine Art Abenteuerreise.

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