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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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Pepper, vergnügten uns mit Tarzan oder Jungle Jim und Johnny McShane und Hopalong Cassidy, außerdem den Stooges und Dick und Doof und Wochenschauen und altem Filmmaterial aus dem Krieg, das mein Vater besonders mochte. Um vier tauchten wir aus der Kühle wieder auf in den atemverschlagend heißen, salzigen Nachmittag an der Golfküste und standen, am Ende eines verplemperten Tages, sonnengeblendet und flau und sprachlos da.
    An einem solchen Morgen saßen wir einmal im Dunkeln nebeneinander, und auf der Leinwand erschien ein Bericht aus den dreißiger Jahren über die Verbrecher Clyde Barrow und Bonnie Parker, die mehrere Staaten des Südwestens terrorisiert (so tönte der Sprecher) und mit Überfällen und Morden für Angst und Schrecken gesorgt hätten, bis sie schließlich auf einer Landstraße in Louisiana von einer Horde Hilfssheriffs aus dem Hinterhalt erschossen worden seien, endlich zur Strecke gebracht. Da waren sie noch keine dreißig gewesen.
    Als mein Vater und ich mit schmerzenden Augen und dumpf im Kopf hinaus in den dampfenden, sonnensatten Nachmittag traten – es war Juni –, entdeckten wir, dass jemand (die Kinobetreiber) einen langen Sattelschlepper vor dem Trixy geparkt hatte. Auf dem Auflieger stand ein alter grauer Viertürer-Ford aus den dreißiger Jahren, übersät von glänzenden Löchern, die Fenster eingeschlagen, Türen und Motorhaube wie ein Sieb, die Reifen platt. Oben neben dem Steuerrad prangte ein handgemaltes Schild: ECHTES BONNIE-&-CLYDE-TODESAUTO – 10000  $ FÜR DEN, DER DAS GEGENTEIL BEWEISEN KANN . Die Besitzer hatten ein Holztreppchen zu dem Auto installiert, und die Kinobesucher wurden eingeladen, für 50 Cent hochzusteigen und das Auto zu inspizieren, so als säßen Bonnie und Clyde immer noch tot drinnen und alle sollten sie sehen.
    Mein Vater stand auf dem heißen, harten Beton und spähte zu dem Auto hoch, während die Kinobesucher – Kinder und Erwachsene, Frauen und Männer – vorbeidefilierten, glotzten, Witze rissen und Maschinengewehrgeräusche machten und lachten. Er hatte nicht vor, etwas zu bezahlen. Er sagte, das Auto sei der reine Betupp, sonst wäre es auf keinen Fall hier. So gehe es nicht zu in der Welt. Außerdem sei das Auto frischlackiert, und die Einschusslöcher sähen unecht aus. Er habe schon auf vielen Flugzeugrümpfen Einschusslöcher gesehen, und die seien größer, ausgefranster. Was natürlich keinen daran hindere, sein Geld zum Fenster rauszuwerfen.
    Aber während wir da auf dem Bürgersteig standen und eine Weile zu dem Auto hochsahen, fragte er mich: »Würdest du gern Bankräuber werden, Dell? Wäre das nicht aufregend? Wäre das nicht eine Überraschung für deine Mutter?«
    »Nein, würde ich nicht«, sagte ich und beäugte nachdenklich die schimmernden Löcher und die Hinterwäldler, die durch die Autofenster gafften und johlten und grinsten.
    »Bist du dir da sicher?«, meinte er. »Ich könnt’s ja mal versuchen. Aber dann würde ich es cleverer anstellen als die beiden hier. Wenn du deinen Grips nicht benutzt, endest du als Schweizerkäse. Das würde deine Mutter natürlich falsch verstehen. Deshalb erzählst du es ihr lieber nicht.« Er zog mich an sich. Sein Hemd roch in der Sonne nach Stärke. Und dann gingen wir in den Nachmittag hinein.
    Ich habe meiner Mutter nie davon erzählt und nicht mal daran gedacht, erst lange nach dem Tag, als meine Schwester und ich auf der Veranda standen und unseren Eltern hinterherschauten, die losgefahren waren, um eine Bank auszurauben. Damals zählte ich nicht zwei und zwei zusammen. Später ja. Er hatte es immer schon tun wollen. Manche Leute wollen Bankdirektor werden. Und andere Bankräuber.

14
    Was ich über den tatsächlichen Bankraub weiß, stammt weitgehend aus der Chronik meiner Mutter und aus den Ausgaben der Great Falls Tribune . Die Zeitung behandelte das Ereignis als launiges Lehrstück, das sie der Öffentlichkeit nicht vorenthalten durfte. Allerdings habe ich den Überfall auch in meinem Kopf durchgespielt – fasziniert davon, dass meine Eltern ihn begangen hatten, eine so lächerliche und unbegreifliche Handlung, dass nichts, was sich darüber berichten ließe, eine befriedigende Erklärung abgäbe.
    Wahrscheinlich denken viele von uns an einen Bankraub, so wie wir uns nachts im Bett hingebungsvoll ausmalen, unseren Erzfeind umzubringen; komplizierte Teile eines Plans zusammenfügend, jedes Detail einpassend, frühere Berechnungen mit spät auftretenden Risiken abstimmend.

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