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Kanada

Kanada

Titel: Kanada Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Ford
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Irgendwann stehen wir vor dem einen unüberwindlichen logischen Problem, das unsere Klugheit nicht restlos lösen kann. Worauf wir schnell zu dem Schluss kommen, dass die Vorstellung zwar hochbefriedigend sein kann, unseren Feind heimtückisch zu ermorden (denn getan werden muss es), aber dass nur ein gestörter oder lebensmüder Mensch einen solchen Plan ausführen würde. Und zwar deshalb, weil die Welt solche Taten nicht gutheißt. Im Pläneschmieden und Intrigieren und Morden sind wir ja Dilettanten und verfügen gar nicht über die nötige Konzentration, um durchzusetzen, was die Welt so heftig ablehnt. So dass wir unseren Plan vergessen und einfach einschlafen.
    Um Erfolg zu haben, hätten meine Eltern bedenken müssen, dass man ihr Auto sofort erkennen würde. Der blaue Overall meines Vaters war als Air-Force-Ausstattung identifizierbar – trotz fehlender Abzeichen. Die unverblassten Spuren der früheren Captainsstreifen würden unschwer auffallen. Das gute Aussehen meines Vaters, seine entgegenkommenden Manieren inklusive Südstaatenakzent würde jeder in einer Bank in North Dakota in Erinnerung behalten. Auch dass er seinen heimlichen Wunsch, eine Bank zu überfallen, auf dem Stützpunkt von Great Falls ein paar Leuten gegenüber erwähnt hatte (wenn auch im Scherz), würde diesen wieder einfallen. Unsere Eltern hätten außerdem bedenken müssen, dass (anders als mein Vater sich das in seiner Naivität vorgestellt hatte) jemand, der eine Bank überfällt, keineswegs in der allgemeinen Population aufgeht, sondern hervorsticht, weil er etwas anderes, jemand anderes geworden ist, als er früher war und als alle anderen sind – auch wenn er das gar nicht merkt.
    Meine Eltern aber, die am Donnerstagmorgen vollkommen unschuldig losfuhren, als Negativposten lediglich überschaubare Schulden bei einer kleinen, wenig effektiven Gruppe von Indianern – ein Problem, das sie auch anders hätten ausbügeln können –, kamen nicht auf diese Gedanken. Obwohl, wahrscheinlich doch, vermutlich schon am nächsten Tag auf der Heimfahrt nach Great Falls – als Verbrecher. Und jede Hoffnung, ungestraft mit ihrer Tat davonzukommen, entfleuchte ihnen, hinweg in den flachen Sommerhimmel.

15
    Und dann fuhren sie auf dem Highway 200 gen Osten, durch die Städte Lewistown und Winnett, in das Entwässerungsgebiet des Musselshell River Richtung Jordan, Circle, Sidney, durch die sommerharte, trockene, ebene Grassteppe, die von den Bergen bis nach Minnesota reicht. Sie waren in einer Gegend, wo sie nichts und niemanden kannten, nur das, was mein Vater auf seiner »Geschäftsreise« ausgekundschaftet hatte, in seiner Wahrnehmung vermutlich eine ganze Menge; es verhalf ihnen zu einem Gefühl der Unsichtbarkeit.
    Während seiner zwei Tage des unablässigen Herumfahrens, hin und her über die Grenze zu North Dakota, war er in das Städtchen Creekmore gekommen (damals 600 Einwohner), in dessen Main Street sich die North Dakota Agricultural National Bank befand. Er hatte in dem Café gegenüber zu Mittag gegessen. Niemand sprach mit ihm oder schien seinen Overall zu bemerken (nicht weit entfernt, in Minot, gab es einen Luftwaffenstützpunkt). Das ließ ihn annehmen, dass er die Leute schier in den Gedächtnisverlust hinein überrumpeln könne, wenn er in dieser Kleidung die Bank enterte, sobald sie aufmachte, mit seiner 45er herumfuchtelte, alles mitnahm, was in der Geldschublade der Kasse und sonstwo herumlag – also nicht eigens den Tresorraum anvisierte, es sei denn, der stünde gerade offen und weiteres Geld läge mitnahmefertig herum –, es in seinen Leinwandbeutel stopfte und abhaute. Er dachte, er könne in weniger als drei Minuten wieder westwärts nach Montana fahren, zurück in die ihn schnell wieder umhüllende Belanglosigkeit. Meine Mutter sollte warten, aber im Auto bleiben, wegen ihres auffälligen Aussehens. Sie würde den Motor die ganze Zeit im Leerlauf halten, während er drinnen den Überfall durchzog, und dann mit ihm losfahren. Ja, es war ein kühner Plan. Aber mein Vater hielt ihn für einfach genug, um zu funktionieren, schließlich hatte er seinen Grips dabei eingesetzt. Er sah es als Vorteil an, dass er die Bank noch nie betreten hatte. Die meisten Bankräuber hatten das Bedürfnis, den Tatort vorher zu »sichten«, und pflanzten auf diese Weise unterschwellige Erinnerungen an sie in die Köpfe derjenigen, die sie später während des Überfalls sahen – obwohl mein Vater nicht glaubte, dass irgendjemand ihn

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