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Kanaken-Gandhi

Kanaken-Gandhi

Titel: Kanaken-Gandhi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Osman Engin
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demokratischen Herzen Europas, lasse ich mich foltern. Bei Allah, das verstehe wer will! Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Böse liegt so nah! Sie sollten sich mal mit nach hinten gefesselten Armen an der Decke aufhängen lassen. Bunjee-Springen ist nichts dagegen. Was ist das schon, wie ein Jojo an einem Gummiseil rauf und runter zu hopsen. Das ganze dauert nur knapp elf Sekunden, und außerdem fließt nicht mal Blut dabei.
    Aber ganz Unrecht hatte Rudolf, der Folterer, doch nicht!
    Meinen bescheuerten 52. Geburtstag kann man vermutlich gar nicht anders feiern. Denn nicht mal meine Mutter kennt meinen genauen Geburtstag. Wie toll ist doch das alles bei den Deutschen geregelt. Selbst nach 53 Jahren wissen sie immer noch haargenau, an welchem Tag sie geboren wurden. Aber nicht so bei mir. Ich wurde nämlich am Tag des ersten Schneefalls in unserem Bergdorf in Anatolien geboren. Das war das einzige Datum, dass sich meine Eltern merken konnten.
    Aber der Tag, der bei mir im Pass steht, hat nichts mit meinem wahren Geburtstag zu tun. Das ist nur das Datum, an dem mein Vater, viele Monate nach meiner Geburt, seine Tabakernte in der Stadt verkauft hat und nachmittags noch etwas Zeit fand, um mich offiziell anzumelden. Bisher war ich auch immer sehr stolz auf meinen Geburtstag. Denn den ersten Schnee als Datum hat schließlich nicht jeder. Unser Dorfpolizist, mein Vetter Mustafa, wurde beispielsweise geboren, drei Tage nachdem das schwarzgepunktete Kalb mit den zwei Köpfen zur Welt kam.
    Oder Mehmet, unser Dorffriseur: Sein Geburtstag ist identisch mit dem Todestag seiner Mutter. Ein noch genaueres Datum hat in unserem Dorf niemand für seinen Geburtstag.
    Für anatolische Verhältnisse dürfte ich also mit Recht stolz auf meinen Geburtstag sein: »Der Knabe, der am Tage des ersten weißen Schnees geboren wurde!« Zumal es in unserem Dorf höchstens alle zehn Jahre einmal schneit. Welches Ereignis hätten sich meine Eltern wohl gemerkt, wenn es an dem Tag nicht zufällig geschneit hätte! Wahrscheinlich hätten sie mitten in der Nacht die schwarze Katze von unserer Nachbarin mit der Eselskarre plattgefahren, um sich so meinen Geburtstag zu merken: »Name: Osman Engin; Haarfarbe: Schwarz; Schnurrbartfarbe: Schwarz; Augenfarbe: Schwarz; Sockenfarbe: Schwarz; Zukunft: Schwarz; Geboren: An dem Tag, an dem sein Vater die schwarze Katze der Nachbarin im Dunkeln platt fuhr!«
    Aber nein, das hört sich gar nicht gut an. Es hätte lediglich den Vorteil, dass ich meinen Geburtstag feiern könnte, wann ich wollte. Ich müsste dafür im Dunkeln nur eine schwarze Katze platt fahren. Es muss ja nicht jedes Mal die von meiner Nachbarin sein. So einen Geburtstag, denke ich mir im Nachhinein, kann man eigentlich gar nicht anders feiern, als mit verdrehten Armen an der Decke im Knast hängend.
    Während ich so ganz alleine im Raum blutend unter der Decke baumele, macht sich vorsichtig der ängstliche und vernünftige Osi in mir bemerkbar.
    »Du Idiot«, schreit er den anderen an, »wegen deiner Unverschämtheit hängen wir hier wie ein Hammel beim Schlachter!«
    »Was soll’s, lieber an der frischen Luft hängen, als in der stinkenden Zelle liegen! Dir kann man es ja nie recht machen.«

    »Wie kann man in Gegenwart von Bullen nur so frech und provozierend reden? Willst du uns vorzeitig ins Grab bringen oder zum Krüppel machen?«
    »Ich habe getan, was ich tun musste, um unsere Ehre zu verteidigen. Sollte ich vielleicht winseln und um Gnade bitten, nur weil die ihre stärkere Position schamlos und brutal ausnutzen?«
    »Dann geschieht es dir fast recht, dass du hier oben hängst und keine Luft mehr bekommst. Das Tragische ist nur, dass ich gezwungenermaßen mithänge.«
    »Na logo, wie heißt es doch so schön: Neben dem trockenen brennt auch das nasse Holz! Du musst das nicht immer so negativ sehen. Wahrscheinlich wollten die beiden nur unsere stinkende Anstaltskleidung lüften. Aus Versehen haben sie leider übersehen, dass wir noch drin stecken.«
    »Bei deiner losen Zunge steht zu befürchten, dass sie uns noch das Fell über die Ohren ziehen, wie einem Stück Vieh!«
    »Stell dich nicht so an, du Angsthase. Du machst dich sowieso aus dem Staub, sobald es gefährlich wird.«
    »Jetzt ist Feierabend«, gehe ich so laut ich kann dazwischen.
    »Hört endlich auf mit eurem nutzlosen Streit. Wir stecken nun mal in dieser grauenhaften Situation und müssen versuchen, das beste daraus zu machen. Aber ich habe keine Ahnung, wie das

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