Kanaken-Gandhi
Kopf. Ich breche mir ja sämtliche Knochen, bevor ich oben bin.«
Warum bringen die mich nach oben und nicht in den Keller, in meine Einzelzelle? Wartet am Ende der Stufen der Tod auf mich? Laufe ich meiner Hinrichtung entgegen? Werde ich auf dem Dach liquidiert? Ich weiß nicht, wie viel Stufen und Etagen ich raufgeprügelt worden bin. Nach meiner Empfindung müssten wir im zehnten oder elften Stock sein.
Endlich bleiben wir stehen, und sie schubsen mich in ein Zimmer hinein. Die beiden schnaufen genauso stark wie ich.
Irgend jemand macht mit lautem Geräusch ein Fenster sperrangelweit auf. Ein kräftiger, kühler Wind weht herein und lässt mich am ganzen Körper erschauern.
»So, du Kanake, wir sind jetzt hier im achten Stock vor einem großen offenen Fenster. Morgen früh werden die Zeitungen berichten, dass sich ein weiterer Asylant in Polizeigewahrsam aus dem Fenster in den Tod gestürzt hat.«
Deswegen das ganze also! Daher weht der Wind! Aus Angst drehe ich fast durch! Ich zittere am ganzen Körper, und das nicht wegen des kühlen Windes.
»Na, was sagst du jetzt? Wenn ich dich jetzt ganz kurz anticke, dann wird man dich vom Bordsteinpflaster kratzen müssen.
Unterschreibe endlich das Ding!«
In einer Sekunde erfasse ich die völlige Ausweglosigkeit meiner Situation. Mein ganzes Leben lang bin ich immer nur rumkommandiert worden. Bei der Geburt wurde ich auch nicht gefragt. Meinen Tod will ich wenigstens selbst bestimmen dürfen!
»Ihr Arschlöcher! Ich verachte euch! Ich lass’ mich nicht mehr von euch rumschubsen! Ihr sollt Gewissensbisse haben, bis ihr selber abkratzt«, schreie ich verzweifelt, und mit einem großen Schritt springe ich nach vorne.
Ich lasse mich ins Bodenlose fallen und setze meinem Leben freiwillig ein Ende! Plötzlich stoße ich auf ein großes, lautes Gerät, und zusammen stürzen wir unter starkem Lärm auf den Boden. Zu meiner Überraschung bin ich höchstens einen halben Meter tief gefallen und lebe immer noch, glaube ich. Irgend jemand zieht mir die Plastiktüte vom Kopf, und zwei ältere Polizisten kommen wegen des Lärms hereingestürzt. Ich versuche mich zu orientieren, wo ich nach meinem Selbstmord gelandet bin. Die beiden neuen Polizisten schauen böse auf meine beiden Folterer und haben offensichtlich die Situation im Raum durchschaut.
Rudolf und Schnurrbart blicken resigniert und niedergeschlagen zurück.
»Warum sieht der arme Mensch denn so entsetzlich aus? Was ist denn hier passiert? Warum blutet der Kerl denn so stark?«
»Chef, der Idiot hier ist total durchgedreht«, stottert Rudolf ratlos und am ganzen Körper schwitzend. »Der hat sich auf unseren großen Ventilator draufgeschmissen. Und jetzt liegt er verletzt auf dem Boden. Bei dieser Affenhitze hat er unseren guten, teuren Ventilator kaputt gemacht!«
Samstag, Sonntag, was weiß ich, wie
viel Uhr?
»Der sieht ja schrecklich aus, hoffentlich kratzt er uns heute nacht nicht ab.«
»Ach, Quatsch, diese Ausländer sind hart im Nehmen, die sind aus starkem Holz. Er hat doch selbst gesagt, dass er aus einem klassischen Folterland kommt. Mit etwas Prügel finden diese Kanaken erst zu ihrer wahren Identität.«
Hoffentlich legen die mich nicht in die stinkende Soße, habe ich gedacht, als sie mich wieder runter zu meiner Zelle geschleift haben. Nein, zum Glück legten die beiden mich auf meinen heißersehnten Zementklotz.
»Aber der Kerl sieht wirklich wie tot aus, darauf habe ich echt keinen Bock«, sagte, der Stimme nach zu urteilen, der Schnurrbart, »das gibt nur Stress mit diesen sensationsgeilen Reportern. »
»Ach, hör auf zu jammern. Dem hier passiert schon nichts.
Der Arzt gibt ihm gleich ein paar dicke Spritzen, dann geht’s dem Kerl so gut, dass wir das ganze sofort wiederholen können.«
»Aber denk dran, bei der Hitze können wir unmöglich noch einen Ventilator riskieren.«
»Mist, es ist schon so spät, und es sind alles Überstunden, die ich hier mache«, sagte Rudolf, »die ganze Nacht habe ich drüben in der Afrikaner-Abteilung Unterschriften besorgt.« Ich habe noch nie jemanden gesehen, der so begeistert Überstunden klopft. Als notorischer Überstundenschieber kenne ich mich auf dem Gebiet bestens aus. Ich öffnete kurz die Augen, da standen die beiden immer noch in der Zellentür.
»Willst du eine Kippe?« fragte mich der Schnurrbart. Ich habe schnell mit dem Kopf genickt, um ihn nicht zu enttäuschen. Der Mann kann ja nicht wissen, dass ich Nichtraucher bin. Er zündete
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