Kanal-Zombies
und einige Strähnen fielen auch in die Stirn, die zu einem Gesicht gehörte, in dem die kräftige Nase besonders auffiel. Ebenso wie das harte und vorspringende Kinn, an dem nur dünne Barthaare hingen. Der dichte Pelz wuchs an den Wangen.
Der Mann mit der kräftigen Gestalt war drei Jahre älter als Ludmilla und hatte sich vorgenommen, reich zu werden. Sie musste jetzt daran denken, als sie ihn aus der Nähe anschaute und noch die Kälte spürte, die in seiner dicken Kleidung hing und die er von draußen mitgebracht hatte.
»Ich koche dir einen...«
»Nein, keinen Tee, Ludmilla.«
»Warum nicht?«
»Weil wir los müssen.«
Sie ging wieder zurück. »Los müssen? Jetzt? Bist du dir da, sicher, Alwin.«
»Ja. Zieh dich an und dann geht es los.«
»Aber es wird bald dunkel...«
»Das spielt für uns keine Rolle. Je schneller wir es durchziehen, desto eher sind wir reich.«
Noch war Ludmilla nicht überzeugt. Sie versuchte es wieder mit einem Argument. »Du hast gesagt, dass Igor mitgehen soll. Er muss erst noch zu uns...«
Auch jetzt ließ Alwin seine Freundin nicht ausreden. »Nein, meine Liebe. Igor braucht nicht zu uns zu kommen. Mit ihm ist alles geregelt worden. Er wartet schon im Einstieg auf uns. Da hat er auch die Ausrüstung hingeschafft. Deshalb bin ich so lange weggeblieben. Ich musste noch einige Dinge regeln.«
Ludmilla Makarow schwieg. Es gab für sie keine Gegenargumente mehr. Sie hatte sich mit hinein-gehängt. Dabei hatte sie nicht so recht daran geglaubt, dass sie wirklich einen Erfolg haben würden. Doch jetzt sah alles anders aus.
»Ich ziehe mich um«, sagte sie mit tonloser Stimme und verschwand im Schlafzimmer.
Alwin wartete. Er hatte das etwas betrübte Gesicht seiner Freundin nicht zur Kenntnis genommen, weil er voll und ganz mit seinem Lebenstraum beschäftigt war.
Endlich war es geschafft!
Er lachte. Er freute sich. Die viele Arbeit hatte sich gelohnt. Die vielen Ausreden, die er sich hatte einfallen lassen, um bei offiziellen Stellen Einlass zu finden, um dort heimlich forschen zu können. Später kam die Furcht hinzu, entdeckt zu werden. All das hatte jetzt ein Ende. Das Ziel war erfasst. Ludmilla, Igor und er brauchten es nur zu betreten und abzuräumen.
Igor gehörte dazu. Er hatte für die Technik zu sorgen. Auf welchen Wegen er sich die Taucherausrüstung beschafft hatte, wollte Alwin gar nicht wissen. Aber eine mussten sie mitnehmen. Es konnte durchaus sein, dass der alte Bunker und damit das Versteck überschwemmt war. In der Tiefe hatte es immer öfter mal Wassereinbrüche gegeben. Da hatte sich bestimmt einiges verändert.
Ludmilla kehrte zurück. Sie war dick vermummt, harte die Jacke aber noch nicht geschlossen und auch keine Kapuze über den Kopf gestreift.
»Alles klar?«, fragte er.
»Muss ja.«
»Himmel, warum bist du denn so negativ.«
»Bin ich das?«
»Freu dich doch. Wir sind bald reich.«
Ludmilla wollte ihn nicht kränken. Aber ihr Lächeln war mehr verloren als echt. »Ich freue mich erst richtig, wenn es wirklich so weit ist und wir hier nicht mehr zu wohnen brauchen, sondern irgendwo in der Sonne sind.«
»Das wird in den nächsten Wochen der Fall sein.« Er musste lachen. »Wenn hier alle Menschen noch unter der Kälte stöhnen, liegen wir längst in Rio am Strand.«
»Und an wen willst du den Schatz oder was immer wir finden, verkaufen, Alwin?«
Er winkte ab. »Darum kümmere ich mich nicht. Dafür ist Igor zuständig. Er hat einen Käufer. Das jedenfalls hat er mir gesagt. Somit ist unsere Zukunft gesichert.«
»Wenn du meinst.«
»Sicher.«
Die beiden verließen die Wohnung.
Im Flur war es kalt. Der Geruch von gekochtem Kohl klebte noch an den Wänden und würde auch in den nächsten Jahren nicht verschwinden, davon war Alwin überzeugt. Er hasste den Arme-Leute-Gestank. Er wollte einfach nur weg. Raus aus dieser Enge und unabhängig sein.
Dafür war er bereit alles einzusetzen. Sogar sein eigenes Leben...
***
Es war zu weit, um zu Fuß zu gehen. So nahmen die beiden ein öffentliches Verkehrsmittel, einen überfüllten Bus, der sich durch die glatten Straßen schob.
Der Bus war voll. Es roch nach Menschen und zusätzlich allen möglichen Gerüchen. In Moskau gab es nicht nur Verkehr und Hektik, sondern auch Ruhezonen. Unter anderem kleine Parks, in denen sich im Sommer die Menschen zahlreich vergnügten. Im kalten Winter waren die Parks zwar nicht menschenleer, aber die Skifahrer, die ihn benutzten, hielten sich schon in
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