Kanal-Zombies
nicht mehr. Auf der Oberfläche huschten die hellen Reflexe hinweg, als wollten sie sich vor uns verstecken.
Hinter mir hörte ich Karina’s Schritte und manchmal ihre heftigen Atemzüge. Sie fühlte sich in dieser Welt ebenso unwohl wie ich. Aber da mussten wir durch.
Vor uns war plötzlich ein Hindernis zu sehen. Quer gespannt. Eine kleine Brücke, die über das Rinnsal hinwegführte. Ich blieb stehen. Eine Sekunde später lag Karina’s Hand auf meiner Schulter.
»Hast du diese Brücke auf dem Plan gesehen?«, fragte ich.
»Sicher!«
Ich hielt mich mit einer weiteren Frage zurück und lauschte nach vorn. Es war nicht mehr so still in unserer Umgebung, denn vor uns war das Rauschen nicht zu überhören. Zwar nicht sehr stark, aber immerhin.
Auch Karina hatte es vernommen. »Das muss ein Wasserfall sein«, flüsterte sie.
»So stark?«
»Nach der Brücke gibt es laut Plan einige kleinere Kanäle, die in diesen münden. Sie kommen von rechts und links. Dieser hier wird sich dann verbreitern. Zumindest laut Plan, und bisher hat er noch immer gestimmt, was auch nicht selbstverständlich ist.«
»Ich gehe auf die Brücke.«
»Bete, dass sie hält.«
»Traust du ihr nicht?«
Karina musste lachen. »Schau dich mal richtig um. Hier ist doch alles baufällig.«
Unrecht hatte sie nicht. Ich wunderte mich sowieso, dass Teile der Gänge noch nicht eingestürzt waren. Aber das konnte uns ja noch bevorstehen. Es brachte nichts, wenn ich mich mit diesen trüben Gedanken beschäftigte, ich musste nach vorn schauen und damit eine weitere Etappe erreichen.
Es war kein Problem, die Brücke zu betreten. Ich leuchtete den Steinboden an, der zwar rissig war, allerdings auch so stark, dass er nicht unter meinem Gewicht zusammenbrach.
Der schmale Übergang war gebaut worden, um in zwei Stollen zu gelangen, die sich rechts und links öffneten und in die Mauern hineinführten.
Eine düstere Welt, aus der kein Wasser floss. Der Schein unserer Helmlampen war stark genug, um die Enden der kurzen Stollen zu erreichen.
An beiden Seiten sahen wir die Gitter, die eine Sperre bildeten, um den zahlreichen Unrat aufzuhalten, der ebenfalls immer wieder in die Kanalisation gespült wurde.
Wir nahmen beide einen widerlichen Geruch wahr, der uns aus den Stollen entgegenströmte, aber wir entdeckten nichts, was diesen Geruch abgegeben hätte.
»Lass uns weiter nach vorn gehen«, schlug Karina vor.
»Bin ich auch dafür. Was sagt dein Plan?«
»Es geht weiter. Allerdings haben wir bald das Ende erreicht. Ich halte hier nur einen Teilbereich dieses Gebiets in den Händen. Was dann folgt, ist unbekannt.«
»Hast du keine Pläne gefunden?
»So ähnlich. Bei uns ist eben nicht alles so perfekt organisiert, John. Damit muss man leben.«
»Klar.«
Wir verließen die Brücke wieder. Diesmal an verschiedenen Seiten. Karina ging links, ich rechts, und wir bewegten uns mit langsamen Schritten auf das Rauschen zu, das sicherlich nicht laut war, sich hier allerdings so laut anhörte, weil es nichts gab, dass es dämpfte.
Ich roch das Gestein, so nahe schlich ich entlang. Feucht und modrig. Auch das Wasser strömte einen ekligen Geruch ab.
Weiter vorn sahen wir mal wieder eine Lampe. Sie klebte an der Decke und warf ihr schmutziges Licht nach unten.
Immer wieder passierten wir Öffnungen an den Seitenwänden. Aus ihnen sickerte das Wasser hervor, um sich mit dem in der breiten Rinne zu vereinigen. So wurde aus dem Rinnsal ein kleiner Bach, der dem Wasserfall entgegenströmte.
Kanal-Zombies waren uns bisher noch nicht über den Weg gelaufen. Ich war allerdings überzeugt, dass sie keine Fiktion bleiben würden. Irgendwann mussten wir sie sehen oder sie uns, denn wir waren als Menschen potenzielle Opfer für sie.
Das Rauschen verstärkte sich. Auch im Schein unserer Helmleuchten war der Wasserfall noch nicht zu sehen. Ich übersprang wieder einen dieser kleinen, von der Seite her kommenden Gräben und musste wegen der Glätte Acht geben, nicht in das Wasser zu fallen.
Ein Ruf stoppte mich.
Ich drehte mich nach links und sah Karina in einer gespannten Haltung auf dem Fleck stehen. Ihre Gestalt malte einen Schatten an die Seitenwand, die eine Öffnung aufwies. Sie befand sich in Kopfhöhe, und aus ihr sickerte stinkendes Wasser hervor. Sie war allerdings nicht wichtig, denn Karina deutete mit ihrer freien Hand nach vorn. Ich hätte es auch sehen müssen, aber ich hatte in den letzten Sekunden zu sehr auf meine Füße und den glatten Boden
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