Kanal-Zombies
in dieser Zeit ist man einfach verwest. Da fällt das Fleisch von den Knochen, und die Gebeine bleiben übrig. Jetzt müssen wir davon ausgehen, dass sie überlebt haben, wie auch immer und was auch dahinter stecken mag.
Ich hatte mich wieder gefangen. Der erste Schock war vorbei. Nur in den Knien spürte ich noch ein leichtes Zittern.
Karina’s Helmlicht blendete mich. Sie hatte mich bewusst angestrahlt, um meine Aufmerksamkeit zu erreichen. »Ich denke, dass wir hier nichts mehr zu tun haben. Lass uns weitergehen. Unser Freund wird bestimmt aus dem See hier gespült.«
Sie hatte Recht. Und wir wussten jetzt, woran wir waren. Bisher waren die Kanal-Zombies Phantome gewesen, nun lagen die Dinge anders. Es gab sie tatsächlich, und sie existierten auf ihre Art und Weise. Sie wollten Menschen, sie waren hungrig, und sie waren auch in der Lage, die Unterwelt zu verlassen.
Wir blieben an verschiedenen Seiten. Der Sims nahm an Breite zu, und dann fielen mir die glitschigen Stufen einer alten, in den Stein gehauenen Treppe auf. Über ähnliche Stufen konnte auch Karina gehen, denn sie rahmten den Wasserfall ein, der mehr eine breite Zunge war, die ihren Weg nach unten fand und in einen breiten, aber nicht sehr hohen Kanal hineinfloss, der uns mehr an einen Tunnel erinnerte und von der Dunkelheit verschluckt wurde.
Hier hatte sich das Wasser sammeln können. Kniehoch strömte es durch die Rinne und in den Tunnel hinein. Wo es hinführte, war für uns ein Rätsel.
Vor dem Tunneleingang trafen wir wieder zusammen. Allerdings floss zwischen uns das schmutzige Wasser, und eine Brücke gab es nicht. Karina schob ihren Helm etwas zurück und wischte mit dem Handrücken über die feuchte Stirn. Auf ihrem Gesicht sah ich ein kantiges Grinsen.
»Wenn du mich jetzt fragst, wohin dieser Tunnel führt, kann ich dir das nicht sagen. Ich habe leider keinen Plan von der gesamten Unterwelt hier.«
»Ist auch nicht tragisch. Hauptsache, wir erreichen irgendwann wieder die Oberfläche.«
»Bestimmt.« Sie beugte sich vor und drehte den Körper etwas links, um in die dunkle Strecke hineinschauen können. »Alles dunkel, John. Da gibt es so gut wie kein Licht. Vielleicht sehr weit vorn, ansonsten kannst du es vergessen.«
»Aber wir müssen durch!«
»Das stimmt.«
Beide suchten wir jetzt die Ränder ab. Ja, da gab es einen Weg, aber ihn als solchen zu bezeichnen, kam uns nicht in den Sinn. Es war wirklich nicht mehr als ein schmaler Sims, vergleichbar mit dem, der sich an Hauswänden entlangzog. Nur kamen hier die Feuchtigkeit und das bröselige Gestein hinzu.
Ich blickte in die andere Richtung. Dort wo der See seinen Ausfluss hatte und der Wasserfall begann, bewegte sich etwas im Wasser. Es war ein dicker, feuchter Klumpen, der sich noch drehte und erst dann den richtigen Drall erhielt.
Er rutschte durch das Wasser nach unten. Sinnlos bewegten sich die Gliedmaßen der Gestalt, deren Kopf durch drei Kugeln zertrümmert worden war.
»Er kommt, Karina!«
»Schon gesehen!«
Die Gestalt drehte sich noch mal, dann hatte sie den Wasserfall verlassen und klatschte in die breite Rinne hinein, in der die Strömung ausreichte, um den Gegenstand nach vorn zu schieben. Zuerst sehr betulich, und er drehte sich auch noch einmal. Dann wurde er genau in unsere Richtung vorgeschoben.
Die Strömung drückte ihn mehr auf meine Seite zu. Ich brauchte mich nur zu bücken, um ihn zu fassen. Mit beiden Händen griff ich in die nasse Kleidung und zerrte ihn hoch.
Karina stand an der gegenüberliegenden Seite. Sie leuchtete über die Rinne hinweg, sodass ich mehr erkennen konnte. Ich hatte die Gestalt halb aus der Brühe gezogen. Die Kleidung war durch die Nässe schwer. So musste ich ihn schon stramm halten und Acht geben, dass er mir nicht durch die Finger rutschte.
Karina hatte mit ihren Kugeln gut getroffen. Von seinem Gesicht war nicht mehr viel da. Aber es gehörte keinem Skelett, das war auch jetzt zu sehen. Knochen- und Hautreste klebten an einigen Stellen zusammen, und das linke Auge war auch noch vorhanden. Das rechte gab es nicht mehr.
Ich sah in einen toten Gegenstand. Es gab kein Leben in diesem Auge. Aber ich konnte mir vorstellen, dass es zuvor auch nicht anders ausgesehen hatte.
Der Körper war dürr und von einer hellen zusammengedrückten Haut bedeckt, die mich an die Haut eines alten Huhns erinnerte. Da ein Teil des Schädels weggeflogen war, sah ich so etwas wie eine schmutzig-gelbe Gehirnmasse nach außen quellen. Der Mund
Weitere Kostenlose Bücher