Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)
brummte Hansen. »Gehört das zu den Fällen im Ostuferhafen? Ich habe dich heute Nacht gar nicht gesehen.«
»Nee, hatte Hafenverbot.«
Hansen blinzelte mit schweren Lidern. »Ach so, entschuldige«, sagte er, »Wie geht es dir denn?«
»Gut.« An die ständige Fragerei zu ihrem Zustand wollte sie sich einfach nicht gewöhnen. Sie hatte überhaupt keine Lust, über ihre Schwangerschaft zu sprechen. Wen ging es etwas an, dass sie das Gefühl hatte, von einer fremden Macht besetzt worden zu sein? Es war wie ein Programm, das sich in ihr fortlaufend installierte. Ein Programm, das dafür sorgte, dass sie zwischen relaxter Trägheit, Hysterie, weinerlicher Gerührtheit und guter Laune hin und her schwankte. Manchmal fühlte sie sich von ihrer Übelkeit und ihrer Müdigkeit gänzlich ausgebremst und doch gleichzeitig in völliger Übereinstimmung mit sich selbst. Von diesen Sachen konnte sie Hansen nichts erzählen. Stattdessen erklärte sie lieber, woher der Inhalt der Kühltasche stammte.
»Mich interessiert, ob du feststellen kannst, wie es zu dem Fleck gekommen sein könnte. Bin gespannt, was du herausfindest.«
»Schon klar«, sagte Hans-Hagen Hansen. »Und am liebsten wie immer sofort.«
»Ach was, lass dir Zeit, die dazugehörige Leiche ist sowieso verschwunden.«
Hans-Hagen Hansen blickte sie irritiert an, lächelte müde und zog ihr einen Stuhl heran.
»Okay, Olga, erzähl, was ist passiert?«
Später an ihrem Schreibtisch packte Island ihre Brotdose aus. Bis zur Besprechung um vierzehn Uhr war noch Zeit. Während sie Schmalzbrot mit Röstzwiebeln aß und mit dem Rest der mittlerweile warmen Apfelschorle hinunterspülte, stöberte sie im Internet. Sie fand Webseiten über den Flemhuder See und ein paar dürre Informationen über das Gut Kreihorst. Die äußerst mageren Einträge stammten offenbar alle aus der Zeit, bevor die Tüxens das Anwesen erworben hatten.
Die einzige Abbildung, die sie aufspüren konnte, war eine Zeichnung von 1790 und befand sich auf der Homepage eines Heimatvereins mit dem Namen »Rund um den Westensee«. Darauf war ein weißes, schlossähnliches Gebäude zu sehen, das von reetgedeckten Scheunen eingerahmt war. Vorne im Bild stand ein Grüppchen vornehm gekleideter Menschen. Unter ihnen befand sich ein schwarzer Diener, der einen Sonnenschirm über zwei kleine, blonde Kinder hielt, die wie Erwachsene gekleidet waren. Alle auf dem Bild zeigten einen ernsten, feierlichen Gesichtsausdruck.
Fotos vom Gutshof fand sie keine. Zwar gab es eine im Aufbau begriffene Website vom Biohof Kreihorst, doch auch hier war nur ein einziges Foto zu sehen: eine nichtssagende grüne Wiese mit einem langweiligen Apfelbaum.
Je spärlicher die Informationen waren, die sie finden konnte, desto mehr begann sie, sich für das Gut zu interessieren. Was waren das für Leute, die da wohnten?
Das Internet fand bei der Suche nach »Dr. Theodor Tüx« hunderttausend Einträge. Olga Island wischte sich den Schweiß aus dem Nacken. Eigentlich war es verrückt, diesen Dingen nachzugehen, eine reine Freizeitbeschäftigung. Aber sie hatte schließlich Mittagspause, und was konnte schlecht daran sein, sich für Land und Leute zu interessieren?
Sie schaute sich Satellitenbilder der Gegend an. Schnell fand sie die Spülfelder, dann die Bunkerreste des Öllagers. Hier war der Nord-Ostsee-Kanal, dort der Flemhuder See. Die Gewässer umschlossen eine Halbinsel, und dort, inmitten von Wiesen, Feldern und kleineren Waldstücken, lag der Gutshof. Langsam zoomte sie sich näher an die Gebäude heran. Scheunen, Hallen, ein Reitplatz, umzäunte Koppeln. Es schien sich um ein sehr großes Anwesen zu handeln, das sich dort mitten in der weiten schleswig-holsteinischen Landschaft vor den Blicken der Welt versteckte.
Pünktlich um vierzehn Uhr ging sie hinüber in den Besprechungsraum. Sie begrüßte die Mitarbeiter des K 11, die das Team der Mordkommission verstärkten, und die Heimkehrer Karen Nissen und Falk Taulow, die sich bei ihrem Eintreffen angeregt unterhielten.
»Auf Fehmarn hat es seit Wochen nicht geregnet«, erzählte Karen Nissen gerade. »Alles, was sonst grün wäre, ist total vertrocknet. Im Garten meiner Schwiegermutter sah es aus wie auf Kreta.«
»In Hennestrand hat die Nordsee zweiundzwanzig Grad«, antwortete Falk Taulow. »Da kriegt man die Kinder den ganzen Tag nicht aus dem Wasser.«
»Zum Campen ist es in diesem Jahr wirklich ideal.«
»Na ja, eigentlich fast schon zu heiß.« Karen Nissen sah
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