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Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition)

Titel: Kanalfeuer: Ein Fall für Olga Island (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirstin Warschau
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sah er sie vor sich. Ihre Gestalt, die knabenhaften Knie unter dem kurzen Rock. Im Gegenlicht kam sie den Weg entlang, die Sonne schien auf ihr Haar, es leuchtete auf, dass es schmerzte. Er durfte einfach nicht mehr an sie denken.
    Unvermittelt hielt er sich die Ohren zu und starrte das Bild an, das an der Wand über seinem Bett hing. Vasco da Gama, eine Reproduktion aus dem National Maritime Museum in London. Es zeigte den berühmten Entdecker und Weltreisenden in jungen Jahren. Mit durchdringend stechendem Blick schien er jeden, der ihn betrachtete, zu beobachten. Seine Augen folgten jeder Bewegung, wohin man auch ging. Niemand konnte ihm entkommen.
    Arrogant sollte dieser Mann gewesen sein, grausam, aber er hatte seine Mannschaft immer im Griff gehabt und seine Seeleute zu Leistungen getrieben, an die man sich Jahrhunderte später noch erinnerte.
    Der Seeweg nach Indien. Vasco da Gama, der Entdecker. Das Bild hing schon über dem Bett, als Paul-Walter das erste Mal darin übernachtet hatte. Der Mann war so etwas wie ein Freund geworden, jemand, der seine Träume kannte. Seit diesem Sommer aber schmückte er sich selbst mit diesem Namen.
    Es war nicht so, dass er sonst keine Freunde hatte. Er hatte verdammt gute Freunde, die besten, die man sich vorstellen konnte: Tom und Cyrano, seine Cousine Grit und deren Freundin Marthe. In diesen Ferien waren sie zusammen hierhergekommen, um an ihrem Projekt zu arbeiten. Großartige Dinge schaffte man eben nicht allein. Schon bei dem Gedanken daran klopfte sein Herz schneller. Es war ihr geheimes Ding. Weder Mum noch Dad hatten bisher davon etwas mitbekommen. Sollten sie doch glauben, dass sie sich wie immer ein paar schöne Ferientage auf dem Hof machten: Schwimmen, Golfen, Surfen, Segeln. Die Alten hatten keine Ahnung.
    Dad war in diesem Sommer sowieso noch gestresster als sonst. Irgendeine Krise in irgendeinem Teil des Unternehmens. Er war schon zweimal nach Frankfurt geflogen und einmal nach Rotterdam. Ansonsten saß er stundenlang in seinem Arbeitszimmer und telefonierte. Und Mum? Beim Gedanken an seine Mutter verzog er bitter den Mund. Die hatte ihre Zimmer im Seitenflügel. Dort durfte man sie nicht stören. Sollte sie doch machen, was sie wollte. Sie war gut drauf in diesen Ferien. Viel zu gut. Es war so peinlich mit ihr.
    Hätten sie nicht ihr Projekt gehabt, wäre dieser Sommer wieder einmal unerträglich geworden. Aber so, wie es gerade aussah, hatten sie perfekte Bedingungen, um alles durchzuziehen. Er war sich ganz sicher, dass sie es schaffen würden. Alle würden Augen machen. Denn so etwas hatte es noch nicht gegeben. Und darauf konnten sie stolz sein.
    Er würde alles dafür tun.
    Nur an Lissy denken durfte er nicht mehr.

15
    A m Donnerstagmorgen schob Olga Island ihr Fahrrad über den Wochenmarkt auf dem Blücherplatz und kaufte Brot und Äpfel bei einem Biobauern und Frikadellen vom Galloway-Rind an einem Fleischerstand.
    Als sie so für den Tag gerüstet in der Bezirkskriminalinspektion ankam, hatte die Sitzung zwar noch nicht begonnen, aber alle saßen schon im Besprechungsraum. Bruns nickte, als sie hereinkam, und begann zu referieren.
    »Zusammen mit Spezialisten von der Feuerwehr haben wir in der Pantalon AG in Brunsbüttel die Verladepraxis bei den Chemietransporten unter die Lupe genommen.« Er übergab das Wort an Jan Dutzen.
    »Der betreffende Gefahrguttank ist, wie eine Videoaufnahme dokumentiert, offenbar ordnungsgemäß beladen worden«, fuhr Dutzen fort. »Die Aufnahmen sind allerdings teilweise unscharf. Alle Wagen auf dem Gelände werden von verschiedenen Kameras aufgenommen, bis sie durch das Haupttor hinausfahren. Der betreffende Lkw sieht auf dem aufgezeichneten Film völlig normal aus. Der Betreiber der Anlage schließt aus, dass der Tank bei der Ausfahrt defekt war.«
    »Ist ja klar, dass die das sagen«, meinte Karen Nissen.
    »Wir müssen trotzdem bis zum Beweis des Gegenteils davon ausgehen, dass der Transporter das Werk in einwandfreiem Zustand verlassen hat.«
    »Dann ist unterwegs am Einfüllstutzen manipuliert worden?«
    »Das können wir bisher nicht nachweisen. Wir wissen auch nicht, ob der Fahrer Xaver Breuer auf dem Weg nach Kiel irgendwo längere Zeit gehalten hat.«
    Bruns nickte Franzen zu. »Könntest du uns bitte den Ablauf der Ereignisse im Ostuferhafen skizzieren, so wie sie sich aktuell darstellen?«
    Henna Franzen klickte sich in eine Datei auf ihrem Netbook. »Der Gefahrgut-Lkw der Speditionsfirma Groll und Co.

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