Kann denn Fado fade sein?
und davon gibt es reichlich. Zwar wäre jeder Portugiese zu höflich, einen anderen – zudem noch einen estrangeiro – darauf hinzuweisen, dass er sich da gerade danebenbenommen hat. Aber natürlich ist es besser, Fallstricke zu kennen und gar nicht erst zu stolpern.
Wichtig, aber kaum zu verstehen: com licença. Ich muss viele Male genau hinhören, und schaffe es nie, diese paar Silben zu erkennen und richtig einzuordnen. Sie wissen ja: die portugiesische Nuschelei. Meist kommt nur ein Gezischel bei mir an. Irgendwann aber klärt Dona Carmo mich auf: Es heißt so viel wie »mit Ihrer Erlaubnis« und entspricht unserem förmlichen »gestatten Sie bitte«. Die Portugiesen zischeln com licença ständig: wenn sie im Menschentrubel auf einem Zigeuner- und Bauernmarkt einfach nur durchkommen wollen, wenn sie neben einem in der U-Bahn Platz nehmen, wenn sie im Supermarkt an einem vorbeimöchten. Und das für mich Interessanteste: wenn sie ein Telefongespräch beenden. Sozusagen als Abschiedsformel à la: »Ich leg jetzt auf – gestatten Sie bitte!«
Dazu passt dann, dass jeder Portugiese es als grobe Unhöflichkeit empfindet (mir das aber nie sagen würde – das muss erst António tun), wenn man nach einem gemütlichen Abendessen seine Gäste zur Tür bringt und nach der immer etliche Minuten, auch schon mal eine Viertelstunde andauernden Verabschiedung einfach die Tür schließt, weil man glaubt, dass es eben jetzt doch endgültig das letzte »Tschüs, bis morgen!« war. Das darf man als gut erzogener Portugiese nämlich erst, wenn die Gäste außer Sichtweite sind. Und dann natürlich mit dem gezischelten com licença …
In Deutschland fand ich es immer schlimm, wenn Ausländer einfach geduzt werden – weil man sich nicht anders zu helfen weiß und man annimmt, so sei es für einen Sprachunkundigen leichter verständlich. Aber hier in Portugal? Da mutiert man als Normalbürger ganz schnell zur Exzellenz. Selbst als Ausländer. Die ersten Briefe, die an mich im Postkasten liegen, entzücken mich wirklich: Sie sind adressiert an Excelentíssima Senhora Christina Franziska Maria – ohne Familiennamen. Und von wem kommen solche Schreiben? Von meiner Bank. Oder von der edp (was die Stromwerke beziehungsweise Energieversorger sind). Oder von den finanças , dem Finanzamt – da könnten sich unsere Finanzbehörden in Deutschland mal ein Beispiel nehmen! Das Erstaunlichste – selbst ohne den vollständigen Namen kommt alles an!
Exzellenz ist man also schnell – und ebenso schnell lässt man hier den Familiennamen weg. Jeder weiß, wer Dona Maria oder Sô Vitor ist. Selbst wenn ich bei der Kurzform »Sô« (von senhor ) viele Male und bis ich endlich nachgefragt habe, ein steif-britisches, aber natürlich portugiesisch genuscheltes »Sir« verstehe. Und mich über die Maßen wundere, was das denn jetzt soll.
Selbst in der Ausländerbehörde, die SEF heißt ( Serviço de Estrangeiros e Fronteira, in etwa »Dienst für Ausländer und Grenze«), bleibt man höflich: Beim Beginn des ersten Besuchs bist du noch die senhora estrangeira – also »Frau Ausländerin«. Und das hat nichts, aber auch gar nichts Abwertendes. Man möchte nett und vor allem höflich sein, weiß aber deinen Namen nicht; also behilft man sich eben so.
Im Verlauf eines Behördengangs – ob bei Gemeinde, Post, Bank oder einer anderen offiziellen Stelle – werde ich dann offiziell zur senhora Christina Zacker. Und am Ende des Besuchs beziehungsweise bei Abschluss des amtlichen Vorgangs bin ich beim Sachbearbeiter endgültig zur Dona Cristina mutiert. So nennen mich aber auch Postbote, Marktfrau, Gas-, Wasser- und Stromableser. Die Bedienung im Café, wo ich täglich meinen meia de leite schlürfe, sowieso. Endlich habe ich es geschafft: Ich bin eine »gnädige Frau«.
Portugiesen lieben Titel: Eine ganz normale Lehrerin wird hier mit senhora doutara professora angesprochen. Anfangs ist das ziemlich verwirrend, bis ich mitbekomme: Das hat nichts damit zu tun, dass sie sich für eine Professorin und damit für etwas Besonderes hält. Sondern damit, dass professora im Portugiesischen schlicht und ergreifend »Lehrerin« bedeutet. Die Schüler übrigens zeigen wenig Respekt: Sie kürzen (und nuscheln) das einfach zu stora ab. Den »echten« Universitätsprofessor bezeichnet man übrigens genauer – als professor universitário .
Den ehrfürchtig anzusprechenden »Herrn Doktor« ( senhor doutor ) kenne ich ja noch aus meiner Kindheit. Den »Herrn
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