Kann denn Fado fade sein?
drüberschauen lassen. Was Ana Miranda aber nicht direkt bemerkt, denn sie findet trotzdem eine Menge Fehler (da werde ich doch abends mal nachhaken!). Ich komme zu der Überzeugung: Leider bin ich nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich blond, und vor allem in der Nähe des Hirns, so welches vorhanden sein sollte. Daran zweifle ich nämlich immer mehr. Und: Wieso kann ich mir einfach nicht merken, was 500 und was 50 heißt?
Tag fünf
Okay, okay – die Uhrzeit beziehungsweise das Fragen danach ist kein Problem mehr, Früchte und Gemüse und Essen und Trinken ( claro !) ebenfalls nicht. Über die Verben möchte ich vornehm den Mantel des Schweigens breiten. Dafür aber kenne ich die einzelnen Zimmer und die Einrichtung eines Hauses. Ana Miranda meint: Nach fünfzehn Stunden sind wir schon ganz schön weit! Und sie möchte wissen, wie wir weitermachen wollen, wenn wir überhaupt wollen. Ich will, und Emma auch. Also: Ab nächster Woche zweimal zwei Stunden. Leider gibt es deshalb auch gleich wieder TPC: Zehn Sätze sollen wir schreiben mit den vermaledeiten Präpositionen, die ich mir wohl im Leben nicht merken werde. Ich hasse es, aber vielleicht nutzt es ja doch etwas …
Aber jetzt ist erst einmal Wochenende angesagt – fim de semana . Und das möchte ich mit meinem Schatz genießen. Wobei sich Tó als ausgesprochen fieser Mensch entpuppt: Er hat nämlich angefangen, zu Hause mehr und mehr Portugiesisch zu sprechen, also muss ich sprachlich wirklich mitziehen.
So langsam wird das Leben in Portugal leichter, sprachlich gesehen: Smalltalk in der Schlange an der Kasse geht ebenso gut wie Einkaufen, Bestellungen im Restaurant, ja, ich traue mich sogar, hin und wieder ans Telefon zu gehen, obwohl ich die Nummer im Display nicht kenne und demzufolge befürchten muss, einen unbekannten und womöglich auch noch Portugiesisch sprechenden Menschen am anderen Ende der Leitung zu haben. Die Lehrerin allerdings habe ich gewechselt. Auf Empfehlung eines Bekannten, der schon länger hier wohnt und meinte: »Ich finde, du brauchst Einzelunterricht! Du willst ja möglichst schnell sprechen können – und das kannst du eher, wenn du nicht strikt nach Lehrbuch vorgehst, sondern genau das machst, was du im Alltagsleben wirklich brauchen kannst!«
So treffe ich auf Dona Carmo. Ein zierliches Persönchen, aber eine knallharte Lehrerin. Die mir aber nicht nur sprachlich sehr auf die Sprünge hilft, sondern vor allem auch mit den kleinen Feinheiten der Portugiesen im Umgang miteinander. Das ist nämlich eine Wissenschaft für sich. António kann mir da kaum weiterhelfen: Er hat zwar selbst lange Jahre im Ausland gelebt. Dennoch ist für ihn vieles selbstverständlich und damit schwer erklärbar. Vieles ist einfach »in einem drin«, von klein auf hat man es nicht anders gelernt. Bestimmte Gesten etwa. Da stutze ich manchmal schon.
Portugiesen zählen beispielsweise anders, wenn sie die Finger zu Hilfe nehmen. Hier fängt man nicht mit dem Daumen an und zählt wie wir Deutschen mit Zeigefinger und Mittelfinger »auf Drei«. Sondern es geht von hinten nach vorne: Der kleine Finger ist die Eins, der Ringfinger die Zwei, der Mittelfinger die Drei, der Zeigefinger die Vier, der Daumen die Fünf. Und den Daumen nimmt man zum Deuten. Als ich das zum ersten Mal gesehen habe, wusste ich gar nicht so recht, was das sollte. Und hielt es zunächst für eine individuelle, aber durchaus elegant wirkende Macke meines Liebsten. Bis ich merkte: Das machen die hier alle so.
Eine Geste lerne ich sehr schnell. Und zwar beim Besuch meiner »Schwiegermutter«, Dona Deolinda. Ich wundere mich zwar, warum sowohl António als auch sein Sohn Pedro nach dem Essen begeistert ihre Ohrläppchen reiben. Sicher so ein Vater-Sohn-Gag, denke ich, während ich mühsam einen portugiesischen Satz zusammenstopple, mit dem ich Dona Deolinda sagen kann, wie gut mir alles geschmeckt hat. Ich lerne: Ohrläppchen reiben ist das Zeichen für »hat gut geschmeckt«. Klar, dass ich das nun sowohl im eigenen Heim, wenn António kocht, bei Freunden, aber auch im Restaurant liebend gern anwende.
Richtig kompliziert aber wird es beim Verhalten im portugiesischen Alltagsleben, und ich bin meiner Lehrerin Dona Carmo bis heute dankbar, was sie mir da so alles neben dem Pauken von unregelmäßigen Verben und Präpositionen beibringt. Das ist beinahe wichtiger, als einigermaßen perfekt sprechen zu können. Zumindest dann, wenn man nicht in jedes Fettnäpfchen treten will –
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