Kann denn Fado fade sein?
Erfolg. Zé Carlos und Luís erwischen immerhin acht Stück. Geringe Ausbeute.
»Die Fische machen jetzt im Sommer ebenfalls Ferien«, grinst mestre Zé. »Es gibt Fahrten, da haben wir viel mehr.« Aber er gibt auch zu: »Nachts ist es besser – wir haben von der heutigen Nachtfahrt noch einen Rieseneimer voller chocos da.«
Mestre Zé stoppt an ganz unterschiedlichen Stellen. Ziemlich geheimnisvoll, denn als Laie kann ich nicht erkennen, warum er genau dort anhält. Es sind weder Bojen noch andere Markierungen zu sehen.
»Alles Erfahrungssache!«, meint er. Muss wohl so sein, denn wir sehen andere Fischerboote, aber niemand kommt sich gegenseitig in die Quere.
Es geht ans Einholen der Kraken. An langen Seilen hängen immer im Abstand von ein paar Metern merkwürdige Behälter. Sie sehen ein bisschen aus wie griechische Amphoren, nur ohne Henkel und mit einem kleinen Loch im Boden.
»Die Dinger nennt man alcatruz «, lässt sich António erklären. »In ihnen suchen die Kraken über Nacht Schutz und nisten sich da praktisch ein. Wird das Seil dann hochgezogen, kommen sie nicht schnell genug heraus.«
»Und wie kriegt man sie jetzt raus?«
»Das wirst du gleich sehen«, meint António, »da gibt es einen Trick.«
Tatsächlich: Es geht wie am Fließband. Vierzig, fünfzig Behälter holen Luís und Rui aus dem Wasser. Kurzer Blick ins Innere, und wenn sich ein Krake darin befindet: kleiner Spritzer aus der Spülmittelflasche, und der Tintenfisch räumt mehr oder weniger freiwillig das Feld.
Nicht in jedem alcatruz finden die Fischer Beute, aber in etlichen: insgesamt fast dreißig Kilo. Meist mittelgroße Kraken, aber auch zwei Riesenwesen, die mich lebhaft an Horrorgeschichten und Seemannsgarn erinnern. Die Kraken kommen erst mal in eine Reuse und werden dann auf der Rückfahrt zum Hafen getötet.
»Wenn wir das nicht tun«, sagt Zé Carlos, »dann leiden sie über viele Stunden hinweg. Kraken können nämlich ohne Wasser lange überleben. Diese Quälerei muss nicht sein.«
Zweimal holen Luís und Rui Schleppnetze ein. Mestre Zé ist nicht zufrieden. Es ist kaum etwas gefangen worden. Vielleicht fünfzehn oder zwanzig Seezungen, etliche Sardinen und im zweiten Netz, ganz gegen Ende: »Ein raia !«, freut sich Zé Carlos. »Damit hat sich unsere Ausfahrt doch noch gelohnt. Denn ein Rochen – das bringt richtig Geld! Mehr als alles andere zusammen!«
Der Rochen ist denn auch der Grund dafür, dass mestre Zé beschließt, nicht direkt am Docapesca anzulegen. Dort müsste er nämlich seinen gesamten Fang offiziell angeben – und damit auch versteuern …
»Den Rochen«, sagt er, »den hab ich praktisch schon verkauft. Ich weiß genau, an welches Restaurant ich ihn direkt gebe!«
M estre Zé bereitet den Rochen für den Koch vor: Er nimmt ihn aus und filetiert ihn. Dann packt er alles zusammen und springt leichtfüßig ans Ufer.
»Luís«, ruft er seinem Gehilfen zu, »bring das Boot an den Ankerplatz. Wir treffen uns gleich in der bodeguita , tá bem ?«
Vier Stunden sind wir insgesamt auf dem Meer. Danach treffen wir uns mit mestre Zé Carlos, Luís und Rui in der bodeguita , ihrer Stammkneipe. Hier sitzen sie zusammen, trinken ihren café com cheirinho und danach den ersten vinho tinto . Da kann es schon mal nachmittags werden.
Für sie ist jetzt erst einmal Feierabend, es ist »eigentlich« nicht spätmorgens oder vormittags. Sie haben ihr Tagwerk hinter sich, sind nachts einmal hinausgefahren und dann am frühen Morgen noch einmal.
Ein harter Job. Ein Knochenjob. Nicht unbedingt für mestre Zé, der »nur noch« am Steuer steht und nicht mehr so schuften muss wie Luís und Rui. Aber er ist schon siebzig, und alle drei müssen tagaus tagein hinausfahren. Nicht nur wie heute bei Sonnenschein und ruhiger See, sondern bei Wind und Wetter.
Heute war ein schlechter Tag – wie oft im Sommer.
Aber es gibt auch gute Tage: »Da holen wir Fisch für 4000 Euro heraus«, erklärt Zé Carlos stolz. »Heute waren es nur etwa 400 Euro.«
Trotzdem lässt er es sich nicht nehmen, António und mich zum Essen einzuladen. In der bodeguita – und es gibt Seezunge. Frisch aus dem Meer und frisch gegrillt. Meine kulinarischen cunhas Nummer zwei.
Mit dem Fisch hat es aber natürlich kein Ende. Niemals in Portugal! Die eigentliche Nationalspeise jedoch ist eine ganz andere Sorte. Mit Frische hat sie relativ wenig zu tun. Ganz im Gegenteil.
Stellen Sie sich vor: Sie kommen in den Supermarkt, freuen sich auf eine
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