Kann denn Fado fade sein?
große Auswahl an frischem Obst und Gemüse, an unterschiedlichsten Käsesorten (die Portugiesen haben eine ganze Menge davon zu bieten) und an allen möglichen Sorten Oliven selbstverständlich. Sie stellen mit Genugtuung fest, dass sich die Fischabteilung von all jenen unterscheidet, die Sie aus Ihrer – vielleicht bayerischen, weit vom Meer entfernt liegenden – Heimat kennen. Da liegen Fische, die Sie nur vom Hörensagen kennen. Da gibt es eine Auswahl an Seegetier und Meeresfrüchten, die Sie wirklich staunen lässt. Und das alles zu Preisen, die sich so ganz und gar nicht damit vergleichen lassen, was man etwa in Deutschland dafür zahlen müsste.
Plötzlich steigt Ihnen ein strenger Geruch in die Nase. Wenn Sie unhöflich wären, würden Sie es schlicht und ergreifend auch Gestank nennen. Zum Glück haben Sie Ihren hauseigenen Portugiesen dabei.
»Puh – was ist das denn?«, stoße ich entsetzt hervor, als ich um ein Regal im Supermarkt biege und plötzlich vor mehreren Stellagen stehe, auf denen sich unansehnliche, ziemlich große Fischstücke stapeln. Irgendwie habe ich ja mal in Hauswirtschaftskunde gelernt, dass Fisch am besten immer frisch und vor allem nicht schlecht riechend in die Küche kommen soll.
António schaut völlig verklärt und fasziniert auf die stinkenden Fischstücke.
»Ach, ist das schön!«, seufzt er enthusiastisch. »Wie sehr habe ich in Deutschland bacalhau vermisst!«
Ich nicht.
Ein paarmal bin ich mit António ja im Spezial-Fischmarkt gewesen, bei dem sich alle Portugiesen aus der näheren und weiteren Umgebung eindecken. Vor allem der frischen Sardinen wegen. Es gab dort – allerdings ein einziges Mal – sogar bacalhau , und auch damals blickte mein Liebster verzückt auf dieses unansehnliche Nahrungsmittel. Selbstverständlich musste er davon kaufen, und durch ein kleines Missverständnis bezüglich der Menge (und des Preises) erstanden wir einen kompletten Stockfisch. Einen mittelgroßen. Zum Glück.
Nun stinkt ein mittelgroßer bacalhau naturgemäß nicht so bestialisch wie mehrere Hundert Stockfische, die aufgestapelt in einem Supermarkt liegen. Aber mir reichte es damals durchaus.
Ich war leider anderweitig beschäftigt und bekam nicht mit, wie der Stockfisch zerteilt wurde. Mit einem Küchenmesser geht es jedenfalls sicher nicht. In Portugal sehe ich nun, wie es die Portugiesen machen: mittels einer Kreissäge nämlich. Bacalhau ist so hart, dass man ihn anders nicht zerlegen kann. Zumindest dann nicht, wenn er in getrocknetem und gesalzenem Zustand ist. So isst man ihn aber natürlich nicht. (Selbst wenn mein Freund Otto behauptet, er habe irgendwann einmal bei einem Besuch in Nordportugal so etwas angeboten bekommen. Ich denke nach wie vor: Da wollte man ihn zum Narren halten. Wobei meine Freundin Nana letzthin erzählt hat, ihr Schwiegervater kenne das ebenfalls.) Man kann Stockfisch anscheinend servieren wie hauchdünne Schinkenscheiben. Man darf allerdings nicht vergessen, nachher entsprechend zu bechern …
Kleine Notiz am Rande:
Bacalhau ist das portugiesische Nationalgericht schlechthin. Es ist nichts anderes als gesalzener, getrockneter Kabeljau. Es ist schon ein bisschen merkwürdig, dass in einem Land, das allein auf dem europäischen Kontinent bereits etwa 850 Kilometer Küstenlinie hat (mit den Azoren und Madeira sind es dann insgesamt etwa 1800 Kilometer), getrockneter Fisch so beliebt ist. Es soll für mindestens jeden Tag des Jahres ein Rezept geben, und jede portugiesische Hausfrau ist stolz darauf, etliche dieser Gerichte auch »aus dem Stand heraus« zubereiten zu können.
Bacalhau kann man gegrillt oder gekocht essen, es gibt ihn frittiert oder gebraten, als Salat, Vorspeise oder Hauptgericht. Es soll sogar Stockfisch-Dessert geben. Man isst ihn in ganzen Stücken oder desfiado (zerzupft). Er muss nicht gekühlt aufbewahrt werden – und genau deshalb findet man im Lebensmittelladen oder auf dem Bauernmarkt ganze Regale oder Tische voll, auf denen sich die Stockfische stapeln. Am besten geht man einfach der Nase nach. Man stößt dann unwillkürlich auf den oder die bacalhau -Händler.
Meinen ersten bacalhau hatte António für mich zubereitet. In Deutschland. Nachdem der im Spezialgeschäft gekaufte Stockfisch endlich zerkleinert worden war, wurde er auf meine energische Bitte hin nicht etwa in der Speisekammer gelagert. Sondern wir wählten die zweite Möglichkeit, diesen Stinkefisch aufzubewahren: António wusste nämlich, dass man
Weitere Kostenlose Bücher