Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
nachdem ich runtergeschluckt habe, erkläre ich ihr mit Grabesstimme: »Ich glaube, ich werde verrückt.«
»Das bist du doch schon längst«, grinst Nina.
»Noch verrückter als sonst.«
»Verstehe. Warum?«
»Hier, schau dir das an.« Ich blättere das Magazin auf und tippe mit meiner Kuchengabel auf den Artikel vor mir. »Ich sollte zum Neurologen gehen und mich untersuchen lassen. Denn irgendwas stimmt nicht mit mir. Außer Andy hat mir mal wieder einen Streich gespielt. Anders kann ich mir das Ganze nämlich nicht erklären.«
Nina blickt mich irritiert an und legt ihre schöne Stirn in Falten. Dann zieht sie die Zeitschrift zu sich heran, beugt sich über die Kolumne und beginnt zu lesen. Und kichert.
»Das ist doch ein toller Artikel! Wo liegt das Problem? Und was hat das mit dir zu tun?«, fragt sie mich, als sie fertig gelesen hat.
»Ich habe den Artikel geschrieben.«
»Du …? Ich denke, du verdienst dein Geld mit putzen!?«, fragt meine Freundin verwirrt.
»Ja, das mach ich auch. Und zwar bei Stunning Looks.«
»Jetzt kapiere ich gar nichts mehr. Klär mich mal auf!«
»Mein Putzjob ist nicht in irgendeinem Büro«, erkläre ich. »Ich mache morgens die Büros der Textredaktion der Stunning Looks sauber. Und als ich gestern früh ins Büro kam, hat eine der Mitarbeiterinnen verzweifelt versucht, eine Kolumne zu verfassen. Es sollte irgendein Frauenthema sein, etwas, bei dem sich die Leserinnen persönlich angesprochen fühlen. Aber ihr ist absolut nichts eingefallen. Irgendwann hat sie dann kapituliert und ist nach Hause gegangen. Und als ich dann ihr Büro sauber machen wollte, ist mir aufgefallen, dass ihr PC noch an war, und da habe ich … na ja …«
»Vicky!«, ruft meine beste Freundin empört, und ein paar Gäste drehen verwundert den Kopf zu uns herum.
»Ich kann nichts dafür!«, versuche ich mich zu verteidigen. »Der Geist war stark, aber das Fleisch so schwach …«
»Ach, das Fleisch!« Nina schüttelt resignierend den Kopf, sodass ihre blonden Locken hin und her fliegen. »So ein Unsinn! Das war purer Trotz, weil du neidisch auf die Position dieser armen Frau warst und ihr zeigen wolltest, dass du ihren Job besser kannst als sie! Das ist alles!«
»Aber ich …«
»Widersprich mir nicht, ich kenne dich seit der Grundschule, und ich weiß genau, wie du tickst!«
»Hm, vielleicht hast du recht«, gebe ich mich geschlagen und stochere verunsichert in meiner Torte herum.
»Natürlich habe ich das.«
»Aber wie kommt mein Artikel dann ins Heft? Ich habe ihn nicht abgespeichert!«
»Ach, Vicky, hör auf zu träumen! Keine Redaktion der Welt arbeitet heutzutage ohne automatisches Speichern. Natürlich konnten die auf deinen Text zugreifen – und die wären auch schön blöd, wenn sie das nicht getan hätten. Irgendwas musste ja ins Heft, und da kommt doch so ein toller Text aus dem Nichts wie gerufen.«
Die Erkenntnis, dass Nina recht hat, trifft mich wie ein Schlag. »Okay … kann sein …«, stottere ich. »Aber das eigentliche Problem ist, dass jetzt alle denken, dass diese Tussi aus der Redaktion meinen Artikel geschrieben hat!«
»Ja, jetzt heimst jemand anderes deine Lorbeeren ein. Das hättest du dir eben früher überlegen müssen, du bist ja nicht doof«, erwidert Nina ungerührt und nippt an ihrem Cappuccino, wobei ihr Lippenstift einen roten Abdruck auf dem weißen Porzellan hinterlässt.
»Vielen Dank für deine tröstenden Worte!«, schelte ich sie empört. »Dafür hat man auch eine beste Freundin!«
»Ich meine es ja nicht böse, Vicky – das weißt du doch. Aber du hast es darauf angelegt, und dann musst du eben mit den Konsequenzen leben. Und sieh es doch mal so: Dein ganzes Leben lang wolltest du mit einem eigenen Artikel in einem Magazin wie der Stunning Looks erscheinen, und jetzt hast du es geschafft … wenn auch auf einem etwas fragwürdigen Weg. Und wer weiß, vielleicht kommst du früher oder später doch noch zu deinen Lorbeeren …«
Eine Frau zum Pferdestehlen
»Und du hast wirklich geglaubt, das wäre auf meinem Mist gewachsen?«, fragt Andy nun schon zum dritten Mal ungläubig und fällt fast vom Stuhl. So langsam habe ich keine Lust mehr, zu seiner Erheiterung beizutragen. Bin ich hier sein persönlicher Comedian, oder was?
»Habe ich doch schon gesagt! Wäre ja auch schließlich nicht das erste Mal gewesen, dass ich Opfer deiner Scherze werde, oder?«, antworte ich genervt und blicke beleidigt aus dem Küchenfenster.
»Also ich
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