Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
gefalle. Ich will mich nämlich nicht auf eine Stufe mit dieser Ziege stellen. Und von wegen, er weiß nicht, wie er dieses Gefühl zu mir wieder loswerden soll? Pah, ich sehe ja, wie schwer ihm das fällt!
Stephan hat mir einen neuen Drink geholt und lässt sich gerade neben mich auf das Sofa sinken. Seine Laune ist trotz der Tatsache, dass er sich kurz vorher eine Abfuhr bei Sarah Connor geholt hat, ungebrochen gut, und er scheint den Abend in vollen Zügen zu genießen. Doch jetzt betrachtet er mich nachdenklich von der Seite und legt einen Arm um meine Schultern.
»Ist alles okay, Kleines?«, fragt er und hält mir meinen neuen Campari Orange hin.
Ich zucke mit den Schultern, dann schüttele ich den Kopf. »Heute ist einfach nicht mein Tag.« Dann seufze ich und sauge lange an meinem Strohhalm. Nicht, um mich schneller zu betrinken (na ja, vielleicht auch ein bisschen deswegen), sondern um nicht weiterreden zu müssen und das Risiko einzugehen, vor Stephan loszuheulen.
»Vicky, sieh dich doch mal um! Du bist hier, weil du etwas kannst. Du hast was dafür getan, dass du hier sitzen und Longdrinks mit Heidi Klum und Co schlürfen darfst. Dass alle anderen, die selbst viel länger auf dieses Privileg hinarbeiten mussten, dir nicht gönnen, dass du so viel Glück und Talent hast, muss dich nicht weiter interessieren. Und schau dich mal an: Du siehst wunderschön aus und musst dich hinter keiner der anderen Frauen verstecken! Ganz im Gegenteil!« Seine Finger greifen unter mein Kinn und drehen mein Gesicht zu ihm herum, sodass ich ihn ansehen muss. »Und, Vicky«, Stephans Stimme wird noch einen Tick ernster, »wenn Jan meint, sich von dieser blutleeren Möchtegern-Redakteurin um eine ihrer Krallen wickeln lassen zu müssen, und das Glück, mit dir hier sein zu dürfen, nicht zu schätzen weiß, dann ist das einzig und allein sein Fehler. Dann ist er keine Träne wert.« Sein Daumen wischt über meine Wange, und ich stelle erstaunt fest, dass mir tatsächlich eine Träne ausgebüxt ist. »Und das hätte ich dir am liebsten schon in Regensburg gesagt.« Er streicht mir eine Strähne hinters Ohr und sieht mich abwartend an.
»Du … hast gewusst, dass …«, stammele ich überrascht.
Stephan nickt und wirft dann einen Blick zu seinem Mitbewohner hinüber. »Manchmal sind Männer echte Idioten. Und dass das so ist, kriegen sie meistens dann mit, wenn sich ein anderer Mann echt idiotisch verhält.«
Ich folge seinem Blick und stelle fest, dass sich Jan meiner verschlagenen Kollegin weiter genähert hat und ihr nun tief in die Augen sieht.
»Wenn er sie jetzt küsst, kotz ich!«, sage ich und höre, wie zittrig meine Stimme klingt.
»Sollen wir gehen?«
»Und Jan?«
»Dass du dir jetzt noch Sorgen um den machen kannst …« Stephan schüttelt halb vorwurfsvoll, halb verwundert den Kopf. »Der kommt schon klar.«
»Hast ja recht.« Ich stehe etwas wackelig auf, streiche mein Kleid glatt und greife dann nach Stephans Hand, um mir an seiner Seite den Weg zum Ausgang zu bahnen.
Ein Schmetterling kann einen Taifun auslösen
Ich sitze auf dem Boden meines Wohnzimmers, den Rücken gegen meine Couch gelehnt, den Laptop auf meinen Knien, und versuche, an meiner nächsten Kolumne zu arbeiten. Aber irgendwie stellt sich dieses Vorhaben als ziemlich aussichtslos heraus, denn ständig schweifen meine Gedanken ab, ich sehe aus dem Fenster oder starre einfach nur stupide vor mich hin. In der Stereoanlage rotiert meine Puddle-of-Mudd-CD. She fuckin ’ hates me. Ja, das kann er da unten ruhig hören, dann weiß er gleich, woran er ist.
Wer von uns beiden macht denn gerade alles kaputt? Ich nicht. Gut, zum Verlieben gehören immer zwei. Aber meiner Meinung nach hätte man das Ganze auch anders lösen können. Und ja, vielleicht hatte ich insgeheim gehofft, dass wir ein Paar werden und diese ganze Freundschaftssache einfach riskieren – auch wenn wir das nicht angestrebt hatten. Aber ich wäre auch damit zufrieden gewesen, wenn Jan und ich nur wieder weiterhin best friends geblieben wären. Hauptsache, ich hätte ihn nicht ganz verloren.
Aber diese Tour von ihm macht mir das fast unmöglich: Mal schreibt er mir verzweifelte Briefe, und dann scheine ich ihm wieder völlig egal zu sein. Was soll ich denn bitte davon halten? Ich komme mir echt verarscht vor. Und bevor ich mich weiter hinhalten lasse, ist es vielleicht wirklich doch am besten, wir gehen uns aus dem Weg und warten, bis Gras über die ganze Sache gewachsen
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