Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
schlecht.
»Hallo! Ich dachte, ich schau mal vorbei, mal gucken, was ihr hier so treibt. Außerdem wollte ich dich was fragen.«
»Moi?« Jan hebt erstaunt die Augenbrauen, während er eine Schachtel Eier aus dem Kühlschrank holt und einige davon aus der Pappe befreit.
Ich lehne mich neben ihn an die Anrichte. Ein komisches Gefühl, plötzlich so nah neben ihm zu stehen. Seltsam, wie sich die Dinge im Leben manchmal verändern. Jans Nähe war für mich jahrelang das Natürlichste der Welt gewesen. Jetzt bedeutet sie jedes Mal einen halben Herzinfarkt für mich. Und sie ist gleichzeitig angenehm und elektrisierend. Nicht mehr so unschuldig wie früher.
»Ich brauche am Freitag eine nette Begleitung zur Redaktions-Weihnachtsfeier. Und da dachte ich …«
»An mich !«, ruft Stephan euphorisch vom Küchentisch aus dazwischen.
»Also eigentlich …«, stottere ich.
»Ich glaube eher, dass sie mich fragen wollte«, feixt Jan.
»Tatsächlich? Wolltest du ihn fragen?« Stephan grinst mich an.
»Ihr braucht gar nicht so zu tun, als würdet ihr euch darum reißen, mit mir da hinzugehen!«, schelte ich die Jungs und verschränke die Arme vor der Brust.
»Aber Hase, natürlich würden wir nichts lieber tun, als dich auf deine Weihnachtsfeier zu begleiten!«, widerspricht mir Stephan und lässt mit einem satten Plopp den Bügelverschluss einer Bierflasche aufschnappen.
»Aha. Und aus welchem Grund?«, frage ich überrascht.
»Weil du unsere Freundin bist und wir dir gerne einen Gefallen tun. Und außerdem gibt es dort mit Sicherheit kostenloses Essen und einen Haufen hübsche Frauen.« Aha, so läuft der Hase also.
»Hast du mir nicht letztens was von inneren Werten erzählt, Stephan?«, frage ich.
Die Antwort ist, wie nicht anders erwartet, ein unschuldiges Grinsen. »Innere Werte sind ausgesprochen wichtig. Aber nicht auf einer Weihnachtsfeier als frischgebackener Single. Gibt es da auch was Ordentliches zu trinken?«
»Was Stephan eigentlich damit sagen will …«, mischt sich jetzt wieder Jan ein und hält kurz inne, bis das laute Brutzeln der Spiegeleier nachlässt und er wieder deutlich zu verstehen ist, »… ist, dass wir jederzeit zu deiner Verfügung stehen. Und wenn du eine Begleitung brauchst, dann gehen wir beide gerne mit. Ist es nicht so?«
»Jawoll!«, bestätigt sein Mitbewohner und deckt klappernd den Tisch für drei.
»Also wollt ihr zu zweit mitgehen?«, hake ich ungläubig nach.
»Ja, warum nicht?«
»Wenn ich da mit zwei Männern an meiner Seite auftauche, dann denken die bestimmt alle, ich hätte euch gemietet.«
»Oder dass du einfach nur ein toller Mensch mit netten Freunden bist, die gerne ihre Zeit mit dir verbringen.« Jan zwinkert mir zu und wuchtet die schwere Pfanne in die Tischmitte.
»Ja, okay.« Noch völlig verwirrt von der Wendung, die die ganze Sache jetzt genommen hat, sehe ich den Jungs zu, wie sie literweise Ketchup über ihr Essen kippen und mir ebenfalls den Teller vollladen. »Ihr müsst euch aber richtig schick machen, weil das eine etwas gehobenere Veranstaltung ist, das ist euch doch klar?«
»Keine Sorge, du wirst dich wegen uns nicht schämen müssen«, versichert mir Stephan mit vollem Mund, und Jan nickt nur kauend. Nicht zu fassen, aber trotz des Anblicks, wie die beiden ihr Essen in sich hineinschaufeln, weiß ich, dass sie damit recht haben.
So, heute ist der Abend. Ich werde länger als die üblichen fünf Minuten mit Evelyn Kern in einem Raum verbringen, einem Raum, in dem an jeder Ecke Fettnäpfchen und Peinlichkeiten lauern, die mein persönliches Unglück bedeuten könnten. Ich werde mit einem Haufen schlanker, reicher und schöner Menschen zusammen sein, die ordentliche Jobs haben, für die sie ein perfektes Abitur, ein perfektes Studium und ein perfektes Auslandsjahr hingelegt haben. Ich werde mich einen ganzen Abend lang mit meinen nicht in Erfüllung gegangenen Wünschen konfrontiert sehen. Aber: Ich habe gleich zwei Bodyguards bei mir, und außerdem kann ich mich im schlimmsten Fall einfach voll und ganz dem Essen und dem Champagner widmen.
Als ich unter der Dusche stehe, fühle ich mich, als würde ich meiner persönlichen Hinrichtung entgegensehen. Meine Knie sind ganz weich und mein Mund trocken. Ich bin schrecklich nervös. Gott sei Dank legt sich das, als ich mein Armanikleid aus seiner Schutzhülle nehme, mir die Schuhe und die Tasche bereitlege und mir die Haare föhne. Als ich dann das Kleid anziehe, scheine ich mir auch eine neue Art
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