Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
ist. Und das kann bei mir noch dauern. Mann, war ich eifersüchtig auf diese Julia. Es hat sich angefühlt, als würde ich innerlich verbrennen. Kein schönes Gefühl, kann ich nur sagen. Eifersucht ist sowieso ätzend. »Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft«, hat mal ein schlauer Mensch gesagt. Das trifft’s ziemlich gut. Und dem muss ich rechtzeitig einen Riegel vorschieben. Außerdem: Es gibt viele tolle Männer außer Jan. Und nur, weil ich in letzter Zeit immer wieder Reinfälle mit meinen Männerbekanntschaften erlebt habe, heißt das nicht, dass ich als alte Jungfer sterben muss. Immerhin bin ich erst blutjunge 23 Jahre alt. Wenn das nicht Hoffnung macht …
Ich habe überhaupt keine Lust auf Silvester. Weihnachten war schon so eine Zwangsveranstaltung, die ich eigentlich bei meinen Eltern hätte feiern sollen, wegen mangelnder nervlicher Belastbarkeit habe ich die Feiertage aber dann bei Nina und ihrer Schwester verbracht. Und Silvester ist dieses Jahr meines Erachtens genauso überflüssig wie Weihnachten. Aber ich habe mir eines fest vorgenommen: Beim Jahreswechsel übermorgen werde ich flirten, was das Zeug hält. Hat ja bis vor Kurzem noch prima funktioniert. Kann nicht so schwer sein, an meine früheren Erfolge anzuknüpfen.
Meine Türklingel surrt und reißt mich aus meinen Überlegungen. Ich hieve mich hoch und drücke den Knopf meiner Gegensprechanlage.
»Ja?«, frage ich unwillig.
»Post«, schnarrt es mir aus dem Lautsprecher entgegen. »Ich habe ein Päckchen für Sie, Frau Schäfer.« Ich betätige den Türöffner, mache die Wohnungstür auf und höre jemanden im Flur die Stufen heraufkommen. Als statt dem Postboten plötzlich mein grinsender Bruder vor mir steht, starre ich ihn einen Moment lang überrascht an.
»Moritz!? Was machst du denn hier?«
»Hallo, Schwesterherz! Dich besuchen, mal nach dem Rechten sehen, gucken, was die kleine Vicky so treibt ohne mich. Freust du dich?«
»Und wie!« Und das tue ich wirklich. Ich falle meinem großen Bruder in die Arme und lasse mich drücken. »Warum hast du nicht vorher angerufen?«
»Dann wäre es doch keine Überraschung mehr gewesen.«
»Aber dann hätte ich dich vom Bahnhof abholen können. Oder bist du mit dem Auto da? Komm erst mal rein.« Ich schnappe mir Moritz’ Reisetasche und schiebe ihn plus Caruso, der vor Freude schier ausflippt und um meinen Bruder herumspringt, in meine Wohnung. Wenig später sitzen wir mit zwei großen Bechern Kaffee in der Küche.
»Und, wie läuft die Arbeit?«, erkundige ich mich.
»Stressig wie immer. Aber macht trotzdem Spaß. Aber wo wir grade beim Thema sind … Erzähl mir doch mal, was genau du jetzt machst, nachdem du deinem Job als Putzfrau entkommen konntest.«
»Du meinst meinem Job im Gebäudemanagement, oder was hattest du Mama noch mal erzählt?« Mein Bruder lacht nur als Antwort, also gehe ich nicht weiter darauf ein. »Ich wurde von der Stunning Looks als Kolumnistin angestellt. Ich schreibe im Magazin unter dem Pseudonym Papergirl über so frauentypische Sachen.«
»Dann schlägst du ja doch noch den journalistischen Weg ein, den du dir immer gewünscht hast, hm? Du klingst aber trotzdem nicht gerade begeistert. Ich dachte immer, dieses Magazin wäre das Nonplusultra?«
»Ist es ja auch.«
»Klingt nach einem Aber?«
»Kein Aber. Es ist einfach ein komischer Laden. Und ich kriege deutlich zu spüren, dass man dort nicht allzu viel von mir hält.«
»Warum das?« Mein Bruder zieht seine Augenbrauen zusammen. »Sind die gemein zu dir? Muss ich hingehen und jemanden hauen?«
Ich muss lachen. »Nein, musst du nicht. Aber …« Ich suche nach Worten. »… dort sind alle was Besseres als ich.« Moritz holt tief Luft, doch ich lasse ihn gar nicht erst zu Wort kommen. »Die haben alle mehr Geld, sehen besser aus und haben gelernt, was sie tun. Das sind alles Profis, und ich bin ein Amateur in H&M-Klamotten, der in ihre nach außen hin perfekt wirkende Maschinerie hineinplatzt und anderen Leuten den Job wegnimmt. Ich fühle mich manchmal, als wäre ich eine olle Isar-Forelle, die in einen Teich voller wertvoller japanischer Koi-Karpfen gefallen ist und dankbar sein muss, solange sie nicht auf dem Teller landet.« Ich seufze laut, und erst da ich es ausspreche, wird mir bewusst, wie schwer dieser Eindruck mir eigentlich schon die ganze Zeit über auf der Seele lastet. Wieder holt Moritz tief Luft und öffnet den Mund, um was zu sagen, doch ich hebe
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