Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
Sie kommen konnten! Und wie ich sehe, haben Sie gleich zwei charmante Begleiter für heute Abend gefunden.«
Ich stelle ihr die Jungs vor und platze beinahe vor Stolz, so gut wie sich die beiden herzeigen lassen. Ein paar Höflichkeitsfloskeln, ein paar Komplimente und das Ganze gepaart mit einem umwerfenden Lausbubenlächeln, schon haben sie meine Chefredakteurin um den Finger gewickelt. Man könnte sie wirklich beinahe für Angestellte eines Escort-Services halten, so perfekt wie sie ihre Rollen spielen. Als wir uns wieder von Evelyn Kern entfernen, stelle ich fest, dass ich ganz nass geschwitzte Handflächen habe. Aber jetzt habe ich den schwierigsten Teil zum Glück überstanden.
Wir stehen gerade am Büfett, als auf einmal Julia, die Verräterin, neben mir auftaucht.
»Hallo, Victoria.« Sie haucht rechts und links Küsschen neben meinen Ohren in die Luft, sieht mich dabei jedoch unverhohlen abschätzig an.
»Hallo, Julia.« Es fällt mir schwer, bei dieser unangenehmen Person Freundlichkeit zu simulieren, aber ich versuche trotzdem, meiner Stimme einen herzlichen Tonfall zu verleihen. Ich lerne ja schnell.
Ihr Blick gleitet über das Büfett und bleibt dann an meinem Teller hängen, den ich in der Hand halte. »Na, langst du noch mal richtig zu, bevor du mit deiner Diät anfängst?«
»Genau.« Ich schlucke das Stück Pastete hinunter, welches ich gerade im Mund habe. »Vielleicht kannst du mir sagen, welche Diät du als Letztes probiert hast. Dann weiß ich, welche nicht funktioniert.«
Julias Augen blitzen wütend, aber ich halte ihrem Blick stand.
»Hübsches Kleid hast du an. Ist das Armani?« Sie mustert mich prüfend. Also Ahnung scheint sie zu haben, das muss man ihr lassen.
»Richtig.« Ich nicke.
»Ich wusste gar nicht, dass Armani auch Größe 42 produziert.« Größe 42? Ich hab gerade mal 36! Und das weiß diese blöde Kuh ganz genau! Na warte …
»Na ja, du weißt ja bestimmt aus eigener Erfahrung, wie dankbar man ist, wenn man mal ein hübsches Teil in großen Größen findet. Das, was du heute Abend trägst, hat ja auch nur mit Müh und Not über deinen Hintern gepasst.«
Wumm, das war jetzt vielleicht ein wenig zu dick aufgetragen. Am liebsten hätte ich mir die Zunge abgebissen. Julia und ich starren uns einen Moment lang hasserfüllt an. Jan und Stephan, die unseren Schlagabtausch schweigend verfolgt haben, sehen mich abwartend an. Ich kenne die beiden gut genug, um zu wissen, dass sie jetzt am liebsten mit Geldscheinen wedeln und Wetten auf uns abschließen würden. Plötzlich ändern sich Julias Blick und ihre Haltung, und sie switcht von zickig auf sexy, als sie auf meine Begleiter aufmerksam wird.
»Willst du mir nicht mal die beiden Herren vorstellen?«, zwitschert sie und wirft ihre langen dunklen Haare nach hinten.
Ich stelle meinen Teller etwas zu hart auf dem Tisch ab und lächele leicht gequält. »Aber natürlich. Julia, das ist Jan, Jan das ist Julia. Und das ist Stephan.«
»Wie nett.« Meine Konkurrentin befeuchtet ihre Lippen und legt den Kopf schief. Wenn sie jetzt noch einen imaginären Fussel von den Jacken der Jungs zupft, hat sie ihren Flirtratgeber, der mit Sicherheit zu Hause auf ihrem Nachttisch liegt, gewissenhaft gelesen. Zu meiner diebischen Freude geht Stephan nicht auf ihre Avancen ein, sondern wirft mir nur einen vielsagenden Blick zu, der so viel bedeuten soll wie: Was für ’ne schreckliche Frau . Dann widmet er sich wieder voll und ganz dem Büfett. Aber halt, was ist mit Jan?
»Stephan!«, rufe ich entsetzt und ziehe ihn am Ärmel.
»Was?«
»Guck dir das an!« Mit offenem Mund sehen wir Jan und Julia hinterher, die sich gerade den Weg auf die Tanzfläche bahnen.
Ich fühle mich wie eine dieser Comicfiguren, die – egal wo sie gehen und stehen – immer eine dicke Regenwolke über sich haben, aus der kleine Blitze zucken und es wie aus Eimern gießt. Alle um mich herum scheinen Spaß zu haben, nur ich sitze auf einem weißen Ledersofa, trinke Cocktails und verfluche den ganzen Abend: Julia, Jan, die Stunning Looks und die Welt im Allgemeinen. Ich beobachte meinen besten Freund (falls man ihn noch so nennen kann), wie er diese Julia bezirzt, wie sie sich an eine der Säulen lehnt und sich gerade über einen Witz von ihm zu amüsieren scheint. So viel zum Thema, er findet mich schön und aufregend. Oder wie lauteten die Worte in seinem Brief? Wenn er auf diese Julia scharf ist, dann ist es für mich kein Kompliment, dass auch ich ihm
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