Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
kleine Schrank mit unzähligen Paaren von Schuhen, mein Laptop mit der angefangenen Kolumne, die dringend fertig geschrieben und abgegeben werden muss, und zwei Stockwerke tiefer mein bester Freund, in den ich mich verliebt habe, der sich nun für meine missgünstige Kollegin interessiert und mit dem ich es mir wegen meiner eigenen Dummheit wahrscheinlich für alle Ewigkeit verdorben habe.
Ich hätte mich auch einfach in einen Flieger nach Australien setzen und das alles zurücklassen können. Hab ich aber nicht. Warum? Wer gibt schon freiwillig so viel pures Leben für ein bisschen falsche Freiheit auf?
Stunning-Looks-Ausgabe: 27
Cover: Kate Moss
Kolumne: ›Papergirl findet, dass …‹
Heute: ›… Diäten moderne Foltermethoden sind.‹
Liebe Stunning-Looks-Leserinnen,
es scheint, als hätte die ganze westliche Welt nur noch ein einziges Thema: Diäten. Nein, nicht die finanziellen, sondern die, die unserem Hüftgold zu Leibe rücken wollen.
Aus Amerika schwappen ständig neue Ideen, unseren Körper zu malträtieren, zu uns herüber, und die Zeitschriften sind jede Woche voll davon: Da gibt es die Kohldiät, die Ananasdiät, die Blutgruppendiät, die Rohkost- oder (noch besser) die Nulldiät, bei der sich sogar irgendwann das Ablecken von Briefmarken zum kulinarischen Erlebnis steigert, sowie unzählige mehr: Nie war die Auswahl an Foltermethoden größer.
Da wird gehungert und Kost getrennt, was das Zeug hält. Heute ist man beinahe out, wenn man nicht pünktlich zum Frühjahrsanfang die Zeit der Entbehrungen einläutet.
Und wisst ihr, was ich glaube? Die Welt wäre ohne diesen ganzen Diätkram ein ganzes Stück besser! Das Leben wäre für sehr viele Menschen lebenswerter, ein ehrliches Lächeln würde leichter fallen, und das Miteinander wäre friedlicher und gemeinschaftlicher. Oder habt ihr mit vor Schwäche zittrigen Knien noch Lust, der alten Dame ihre schweren Einkäufe hochzutragen? Oder mit laut knurrendem Magen lange Gespräche mit dem süßen Nachbarn zu führen? Seht ihr! Und welche Frau, deren Blutzuckerspiegel sich im Minusbereich bewegt, hat noch Milde und Nachsicht für lärmenden Nachwuchs und komplizierte Ehemänner übrig? Keine.
Es ist sowieso grotesk, dass unzählige Menschen auf der Welt verhungern müssen, während wir jeden verfügbaren Cent in den möglichst schnellen Verlust von Körperfett investieren. Wie würdet ihr das einem hungrigen Kind aus der Dritten Welt beibringen? Macht euch dazu mal Gedanken – ihr werdet jede Antwort lächerlich finden.
Noch ein Punkt, der gegen Diäten spricht: Sie machen einsam. Entweder durch die vom Hunger verursachten Aggressionen oder durch die Nebenwirkungen einer Kohlsuppendiät, die sich – ob ihr wollt oder nicht – bei euch bemerkbar machen.
Genug Gründe also, all diese lästigen Diäten ein für alle Mal an den Nagel zu hängen. Versteht mich nicht falsch: Ich versuche auf keinen Fall, euch von den Vorzügen der Fettleibigkeit zu überzeugen – schließlich wollen wir ja alle noch in unser kleines Schwarzes passen und darin eine tolle Figur machen. Aber Abnehmen geht auch anders. Ein Quickie mit dem Liebsten zum Beispiel verbrennt sage und schreibe bis zu 500 Kalorien, Küssen immerhin 20. Shoppen verschlingt 200 Kalorien, und ein Jagdausflug im Sommerschlussverkauf sogar … Aber das ist eine andere Geschichte.
Euer Papergirl
Happy New Year
Es ist der 1. Januar. Neujahr. Das bedeutet, dass ich Silvester hinter mir habe. Und das wiederum bedeutet, dass ich auch das Besäufnis meines Bruders mit Nina, die Eifersuchtsszene von Andy sowie die peinliche Begegnung mit Jan und Julia hinter mir habe.
Der Tag hatte schon einen schlechten Anfang genommen, denn ich war mit einem fiesen Kratzen im Hals und einem dicken roten Pickel am Kinn aufgewacht, außerdem fühlte ich mich total schlapp. Die Erkenntnis, dass am heutigen Tag der Jahreswechsel sein würde und ich keinen richtigen Grund zum Feiern hatte, machte den Start auch nicht wirklich leichter. Noch dazu würde ich nicht mal Jan sehen – der hatte seine Karte für die Party zurückgegeben, wie ich von Nina wusste. Toll, damit war auch das einzige Licht am Silvesterhorizont für mich ausgegangen.
Außerdem konnte ich mich nicht zur Wahl eines passenden Outfits durchringen und hatte also auch noch diese schwere Entscheidung vor mir. Am liebsten wäre ich einfach liegen geblieben und hätte mir die Decke über die Ohren gezogen. Aber spätestens um 19 Uhr
Weitere Kostenlose Bücher