Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)

Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)

Titel: Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Wolf
Vom Netzwerk:
zu bleiben und zu helfen? Vielleicht eine Jungfrau in Nöten? Vielleicht eine langbeinige, blonde Jungfrau ? Oder eine langbeinige, blonde, umwerfend schöne Jungfrau … Okay, stopp, das war eindeutig zu masochistisch!
    Ich begann, nervös an meinem Daumennagel zu knabbern (eine meiner schlechtesten Angewohnheiten, die mich in Stresssituationen immer wieder ereilte). Oder war die Situation ganz anders, und Jan war einfach genauso aufgeregt wie ich wegen der Aussicht, dass wir nach tagelanger Funkstille aufeinandertreffen würden? Und nun stand er vor seinem Kleiderschrank und wusste nicht, was er anziehen sollte? Oder hatte er vielleicht eine Überraschung für mich? Eine Art Wiedergutmachung? Unwillkürlich musste ich bei dem Gedanken daran lächeln. Ich wollte einfach nicht länger diesen Zustand ertragen müssen, der zwischen uns herrschte. Und vielleicht hatten wir ja doch noch eine Chance, auch wenn das mit dieser Julia absolut daneben gewesen war.
    »Hey«, rempelte Moritz mir seinen Ellenbogen in die Seite. »Ist das dahinten nicht Jan?«
    »Wo?« Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, um über die Köpfe der anderen Leute hinwegsehen und dem Blick meines Bruders folgen zu können, doch ich konnte Jan nicht entdecken – es waren einfach zu viele Menschen um uns herum, die gerade wild zu Sexy Bitch von David Guetta zu tanzen begannen. Doch plötzlich sah ich ihn. Er kam direkt auf uns zu, mit breitem Grinsen, weil er Moritz entdeckt hatte. Die Jungs begrüßten sich, drückten sich, schlugen sich auf die Schultern, wuschelten sich durch die Haare und rissen blöde Witze, so wie sie es immer taten, wenn man ihnen ihre Gefühlsduselei nicht anmerken oder nicht zu ernst nehmen sollte. Und ich stand einfach nur da, bewegungsunfähig und verzückt dieses Lachen anstarrend, welches ich an Jan so sehr liebte und das sofort wieder die vielen kleinen Sonnenstrahlen, oder auch Fältchen, um seine Augen herum erstrahlen ließ.
    Und auf einmal stand Jan direkt vor mir, mich nachdenklich ansehend, und fuhr sich nervös durch seine in Form gestylten Haare. »Hallo, Vicky.«
    Das erste Mal an diesem Abend war ich dankbar, dass meine Nase verstopft war, denn wahrscheinlich hätte mich sein Duft völlig besinnungslos gemacht.
    »Hallo, Jan«, antwortete ich knapp und kam mir von einer Sekunde auf die andere total unbeholfen vor. Kannte ich diesen Typen wirklich schon seit Jahrzehnten und nicht erst seit ein paar Minuten? Und warum zitterten meine Hände auf einmal so?
    Plötzlich drängte sich eine hochgewachsene, schlanke Gestalt neben den Grund meiner Pulsbeschleunigung und hängte sich an seinen Arm. Julia!
    »Hey, Schatz, hier bist du«, säuselte sie Jan ins Ohr. »Oh, hallo, Victoria! Ich wusste gar nicht, dass du auch hier bist!«, zwitscherte sie, warf ihre schwarze Mähne zurück und ließ ihre blauen Augen kritisch über mein Outfit wandern.
    Und plötzlich schoss eine unheimliche Taubheit durch meinen Körper, von den Haarwurzeln bis zu den Zehenspitzen, als mein Herz für einen Moment vor Schreck das Schlagen und ich das Atmen vergaß. Irgendwann schnappte ich panisch nach Luft, was meine Erkältung als Aufforderung auffasste, sich mit einem Hustenanfall in Erinnerung zu rufen. Egal, wenigstens strömte wieder Sauerstoff durch meinen Blutkreislauf und erreichte auch meinen Kopf. Wenigstens konnte ich wieder meine Umwelt wahrnehmen, welche gerade aus den besorgten Blicken von Moritz und Stephan, einem sichtlich peinlich berührten Jan und einer fies lächelnden Julia bestand.
    »Ich … ich muss mal kurz … wohin«, stotterte ich und floh zu den Damentoiletten, wo ich mich an all den schnatternden Mädchen vorbeiquetschte, mir kaltes Wasser über die Handgelenke laufen ließ und fragend mein Spiegelbild ansah, in der Hoffnung, dass es mir versichern würde, dass das mit Jan und Julia nur Einbildung gewesen war, eine Halluzination, das Ergebnis einer Hustensaftüberdosis. Doch mein Spiegelbild schüttelte nur traurig den Kopf, rückte seine Korsage zurecht und steckte traurig ein paar gelöste Strähnen zurück in die mit unzähligen Haarklammern fixierte Frisur.
    Als ich zurück an unseren Platz bei der Bar ging, fiel mir schon von Weitem Nina auf, die gerade laut über irgendeinen Witz von Moritz zu lachen und sich prächtig zu amüsieren schien, während Andy mit angespannter Miene daneben stand und einen trüben Eindruck machte. Jan entdeckte ich auf der Tanzfläche, wo sich Julia jedes Mal, wenn ich hinsah,

Weitere Kostenlose Bücher