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Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)

Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)

Titel: Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mina Wolf
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wäre Nina bei mir aufgeschlagen und hätte mich zur Not auch am Ärmel meines Schlafanzuges in den MPARK geschleift, nur um zu verhindern, dass ich an Silvester alleine in meiner Wohnung rumhänge, vor allem nicht in meiner jetzigen Gemütslage.
    Also hatte ich mich aus dem Bett geschält, mich danach lange mit mürrischen Blicken im Spiegel begutachtet und dann damit begonnen, Schadensbegrenzung zu betreiben. Danach hatte ich stundenlang vor meinem Kleiderschrank gestanden, mich in meinem Kimono halb totgefroren und einen Klamottenberg auf meinem Bett aufgetürmt, um irgendetwas Brauchbares für den unvermeidlich auf mich zukommenden Abend zu finden. Schließlich entschied ich mich für meine erst kürzlich erworbene Lederkorsage (der Grat zwischen Die-Jungs-werfen-mir-bewundernde-Blicke-zu und Die-Jungs-stecken-mir-ständig-Geldscheine-in-den-Ausschnitt war hierbei sehr schmal – weshalb ich dieses Teil möglichst klassisch und schlicht kombinierte), Jeans und Ankle Boots. Mit ein bisschen Klimbim von H&M an den Ohren sollte das reichen, obwohl ich eigentlich überhaupt keine Lust auf Party hatte.
    Mein Bruder war bester Laune gewesen, was mich noch zusätzlich genervt hatte, und auch meine beste Freundin rief mich schon mittags voller Vorfreude an, um mich nach meinem Silvester-Outfit zu befragen.
    »Ziehst du da nichts drüber?«, hatte sie gefragt, nachdem ich ihr von meiner Lederkorsage erzählt hatte.
    »Ach, meinst du echt, man muss das Ende Dezember noch?«, hatte ich gespielt naiv zurückgefragt. Mann, hatte ich die Nase von diesem Tag jetzt schon voll!
    »Wäre besser, sonst wirst du noch kränker«, erwiderte sie besorgt, während ich mir eine neue Packung Tempos aus dem Badezimmer holte. »Kommt Moritz auch mit?«
    »Na ja, ich werde ihn nicht zu Hause lassen und ohne ihn Silvester feiern, wenn er schon extra aus Salzburg angereist ist.«
    »Prima. Ich hab ihn ja echt schon ewig nicht mehr gesehen.«
    »Keine Sorge, er hat sich kaum verändert. Sag mal, meinst du, ich sollte lieber das schwarze Cocktailkleid anziehen oder meine neue Jeans zusammen mit der weißen Joop-Bluse?«
    »Egal – Hauptsache, du ziehst dir was drüber.«
    »Haha. Zum Glück hab ich noch ein paar Stunden Zeit, mir das Ganze zu überlegen. Oder ich gehe gleich noch mal los und kaufe mir was Neues. Was meinst du?« Erstaunlich, wie konsequent Nina meinen zickigen Unterton ignorieren konnte, wenn sie wollte.
    »Viel Spaß. Ich bleibe auf der Couch und versuche, bis Mitternacht am Leben zu bleiben.« Ich schniefte demonstrativ und legte auf.
    Den Nachmittag verbrachte ich dann hauptsächlich damit, heißen Holundersaft mit Honig zu trinken, päckchenweise Taschentücher zu verbrauchen, eklige Halspastillen zu lutschen und klebrigen Hustensaft in mich hineinzukippen. Gegen Abend ging es mir dann richtig schlecht: Nicht nur, dass ich entsetzlich fror, meine Lippen spröde waren wie Sandpapier, sich mein Hals bei jedem Schlucken anfühlte, als würde sich eine Katze darin festkrallen, mein Kopf bei jeder Bewegung anfing zu wummern und meine Nase entsetzlich kribbelte – nein, jetzt war mir auch noch sehr, sehr schlecht. Ein Blick in den Spiegel bewies mir, dass ich auch genauso aussah, wie ich mich fühlte: Ich war rotgesichtig, mein Gesicht zerdrückt, unter meiner Nase zeigten sich kleine geplatzte Äderchen, ich hatte dunkle Augenringe, und meine Haare hingen wie Schnittlauch herunter. Ich bot wahrlich keinen schönen Anblick. Und so sollte ich mich heute Abend unter das Partyvolk Münchens mischen? Ich eignete mich eher für eine Halloweenfeier als für eine Silvesterveranstaltung. Wie sollte ich bitte mit Erkältung verrucht und sexy rüberkommen? Ich war nicht das Playbunny – ich war Hugh Hefner. Und zwar der alte. Einfach deprimierend.
    »Hey, Schwesterchen. Willst du dich nicht langsam mal fertig machen? Ihr Frauen braucht doch immer ewig und grade bei so Großereignissen …« Moritz war um die Ecke gebogen und hatte mich skeptisch von oben bis unten gemustert.
    »Für mich ist das heute definitiv kein Großereignis. Ich glaube, ich bleibe lieber daheim«, krächzte ich und band meine schlappen Haare zu einem Pferdeschwanz. So trug ich jeden Makel in meinem Gesicht gleich noch deutlicher zur Schau.
    »Bist du dir sicher?« Mein Bruder hielt testweise seine Hand an meine Stirn und sah mich prüfend an. »Hast du Fieber?« Ich zuckte nur mit den Schultern. »Aber ich kann dich doch nicht alleine lassen, wenn du krank bist!

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