Kann denn Lüge Sünde sein? (German Edition)
und zerrissener Kleidung wieder auf der Straße. Dafür aber mit einem seligen Lächeln, dem Objekt unserer Begierde und noch dazu dem 25. Paar schwarzer Pumps, das wie die anderen 24 Paar zu Hause einen Tick zu groß oder zu klein ist, aber schließlich reduziert war.
Endgültig zu Bestien mutieren wir Frauen bei Sales von Designermarken. Prada, Gucci, Louis Vuitton … Diese Namen sind für uns ohnehin schon von unbeschreiblicher Bedeutung, verbunden mit dem Wort »Sale« aber lassen sie uns jegliches zivilisiertes Verhalten vergessen.
Aber wir wissen: Kampfshoppen im Ausverkauf verbrennt Kalorien, baut Aggressionen ab und macht glücklich. Wenn das keine eindeutigen Gründe für die Schnäppchenjagd sind! Und wie sagte schon Esther Vilar so schön?
»Für eine Frau gibt es wichtigere Dinge als einen Orgasmus, zum Beispiel den Kauf von einem Paar auberginefarbenen Lackstiefelchen.«
Euer Papergirl
Gefühle sind scheue Wesen
Als ich die Augen aufschlage, ist es bereits Tag und die Sonne strahlt so hell gegen meine weiße Schlafzimmerwand, dass es beinahe wehtut. Ich atme tief ein, um das Stechen in meinen Schläfen zu mildern, und nehme dabei den zarten Duft von Aftershave und Leder wahr.
Ich lausche in die Stille um mich herum und höre ein gleichmäßiges Ein- und Ausatmen, welches weder von mir noch von Caruso stammt. Also hebe ich leicht den Kopf und blinzele gegen das Licht. Nur wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt entdecke ich überrascht einen Arm. Mein Blick wandert über hellen Flaum und schließlich bis zu einer muskulösen Schulter hinauf, welche zu einem nackten Männeroberkörper gehört. Dazu ein blonder Kopf, das Gesicht in den Kissen vergraben. Sehr bemüht, kein Geräusch zu verursachen, setze ich mich langsam auf, stütze meinen Kopf auf meine Knie und blicke nachdenklich den Mann in meinem Bett an. Kommt nicht gerade oft vor, dass ich ein Exemplar dieser Spezies darin vorfinde. Und warum kann ich mich nicht daran erinnern, wie dieses Prachtstück da hineingekommen ist? Was habe ich getan? Und wann habe ich das getan? Kann mir bitte mal irgendjemand sagen, was passiert ist? Zum Glück ist mein Bruder nicht zu Hause, sondern schon frühmorgens mit Stephan zum Snowboarden gefahren! Bleibt zu hoffen, dass Moritz auch heute Nacht nichts von uns mitbekommen hat, sonst kann ich mir das wieder monatelang anhören! Der Deckenberg neben mir bewegt sich plötzlich, und der darin befindliche Kerl dreht sich um. Er kneift die Augen im Licht zusammen, blinzelt, und als er mich entdeckt, breitet sich ein Grinsen auf seinem Gesicht aus.
»Guten Morgen.«
»Guten Morgen. Gut geschlafen?«
»Ich habe sehr gut geschlafen! Wobei der Teil vor dem Schlafen auch nicht übel gewesen ist!« Severins Grinsen wird noch breiter und ich befürchte das Schlimmste.
»Heißt das … also, dass wir …«
»Ja?«
»Also … ich habe das Ganze nicht geträumt?«, frage ich mit unsicherer Stimme.
Er schüttelt den Kopf. »Es war zwar traumhaft schön, aber auch ziemlich real, würde ich sagen.« Severin dreht sich auf die Seite, stützt seinen Kopf mit den frech abstehenden Haaren auf seine Hand und betrachtet mich lächelnd.
Ich werde merklich unruhig. »Du … also eigentlich … eigentlich ist das nicht meine Art, fremde Männer mit nach Hause zu nehmen. Du hast da gerade einen ganz falschen Eindruck von mir!«, stottere ich und streiche verlegen ein paar widerspenstige Haarsträhnen aus meinem Gesicht.
»Meinst du?« Severin zieht überrascht die Augenbrauen hoch. »Was glaubst du denn, welchen Eindruck ich habe?«
Ich zucke die Schultern. »Na ja … dass ich jeden Abend mit dem erstbesten Mann ins Bett gehe und leicht zu haben bin.«
»Falsch. In Wirklichkeit habe ich gerade gedacht, dass ich schon lange keine Frau mehr gesehen habe, die schon morgens so unglaublich hübsch aussieht!«
»Ja, klar.« Ich suche nach meinem Oberteil, finde jedoch nur seines und ziehe es verlegen über.
»Wirklich, das ist mein voller Ernst«, lächelt mir Severin zu.
Ich sehe ihn skeptisch an und frage mich, ob er mich veräppeln will, doch sein Gesicht ist absolut ernst.
»Soll ich uns Kaffee machen?«, bietet er an und setzt sich plötzlich im Bett auf.
Vor lauter Panik, dass ihm dabei die Decke über die Hüfte rutscht, rufe ich »Nein, bleib ruhig liegen, ich mach schon«. Ich verlasse das Schlafzimmer, schließe nacheinander die Knöpfe seines Hemdes und tapse auf nackten Sohlen in die Küche hinüber.
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