Kannst du mir verzeihen
der Gäste. Der »Seniorenteller« war der absolute Favorit auf der ohnehin schon sehr übersichtlichen Speisekarte.
»Der Frauenverein veranstaltet heute Abend im Gemeindehaushaus Bingo«, klärte sie ihn auf.
Sie sahen einander an und prusteten dann los.
»Komm, ich helf dir, die Sachen reinzubringen«, sagte Jai lachend und zeigte auf die Tüten, die der freundliche John gerade abgestellt hatte. »Und das da.« Er nickte Richtung Paket.
Kaum hatten sie die Einkäufe ins Haus gebracht und ausgeräumt, wurde es Hanny wieder übel.
»Ich leg mich lieber wieder ins Bett«, sagte sie, aber Jai hielt sie an der Hand.
»Nichts hinlegen. Du musst mal hier raus. Und wenn es nur ist, um frische Luft zu schnappen.«
»Ich muss ins Bett.«
Jai fasste sie bei den Schultern und schüttelte sie sanft.
»Du musst hier raus.«
»Mir ist hundeübel, ich muss ganz bestimmt nicht raus.«
»Dir wird es an der frischen Luft gleich besser gehen.«
»Es wird mir gleich besser gehen, wenn ich mich hinlege.«
»Wir wissen doch beide, dass du dich unter der Bettdecke nur versteckst.«
»Wenn du mich jetzt gehen lassen würdest, würde ich unter der Bettdecke schlafen!«
»Raus mit dir, Hanny.«
»Ins Bett mit mir, Jai.«
»Luft, Hanny.«
»Seit wann bist du denn so ein Frischluftnazi?«
»Und seit wann bist du ein Eremit?«
Kampflustig sahen sie einander in die Augen.
Dann fiel die Spannung von ihnen ab, und sie lachten.
»Du bist kein Eremit.«
Hanny blies sich eine Strähne aus dem Gesicht und seufzte.
»Danke. Und du bist kein Frischluftnazi. Hast ja recht. Ich habe mich versteckt.«
»Dann lass uns doch mal rausgehen. Einen Spaziergang machen. Mit Nancy.«
»Dafür ist sie noch zu klein.«
»Dann machen wir eben keinen Spaziergang.«
Jai grinste verschwörerisch, schnappte sich ihre Hand und zog sie mit sich zur Küchentür, wo er sich in Rekordzeit Mantel und Stiefel anzog, um gleich darauf Hanny ebenfalls in Mantel und Stiefel zu helfen. Dann zog er sie mit sich hinaus, quer durch den Garten zu dem windschiefen, von Efeu und kahlen Glyzinien überwucherten Verschlag, den Hanny als Garage und Gartenschuppen benutzte.
Jai lieà ihre Hand los, rüttelte an der froststeifen Brettertür, bis sie sich krachend öffnete, und zeigte mit ausladender Geste auf das Objekt seiner geheimen Pläne.
»Wie wärâs mit einer kleinen Ausfahrt?«
Er zeigte auf eine kultige alte Vespa aus den Siebzigerjahren. Quietschrot, wenn man die Staubschicht entfernte. Sie gehörte Hannys Mutter, und da Bastian gerne daran herumgebastelt hatte, wusste Hanny, dass sie fahrtüchtig war. Allerdings hatte sie nun schon lange niemand mehr gefahren.
»Ich glaube nicht, dass die verkehrssicher ist, Jai.«
Doch Jai ignorierte ihren Protest und schwang sich auf den Sitz. Er sah den Schlüssel stecken und grinste fast im Kreis. Aufgeregt hielt er die Luft an, drehte den Schlüssel und juchzte, als der Motor zu Leben erwachte.
Das Ding hörte sich an wie ein Rasenmäher, aber Jais Miene nach zu urteilen, klang es in seinen Ohren wie eine Harley.
»Steig auf, Baby!« Er strahlte sie an.
»Das ist nicht dein Ernst!« Hanny wich einen Schritt zurück und trat dabei fast auf Nancy, die ihnen durch die offene Küchentür gefolgt war. Sie zitterte vor Kälte. Ihr Fell war noch viel zu dünn, um den eisigen Wind abzuwehren. Hanny nahm die Kleine hoch und packte sie unter ihren Mantel.
»Steig auf! Siehst du, Nancy will auch mit!«, behauptete er, als der kleine Hund neugierig die Schnauze aus Hannys Mantel steckte.
»So ein Quatsch.«
»Wieso ist das Quatsch?«
»Weil es gefährlich ist.«
»Wieso gefährlich? Ich habe in Busan Moped fahren gelernt, und wenn ich in einer Millionenstadt wie Busan unfallfrei fahren kann, dann kann ich das wohl auch auf den LandstraÃen in Cornwall. Jetzt komm schon!«
Er gab Gas.
Und sah dabei sehr zufrieden aus.
»Nun komm schon«, drängelte er wieder. »Weg mit den Spinnweben.«
»Ich bin noch im Schlafanzug.«
»Na, und? Wen interessiert das? Sieht doch sowieso keiner unter dem Zelt von einem Mantel. Wo hast du den bloà her? ... Ach ... Hanny ... Komm schon, bitte, und wenn es nur einmal die Einfahrt hoch und runter und einmal rund um den Garten ist ... Get the motor
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