Kannst du mir verzeihen
hervorragendem Messer an Bastian zurückschicken wollte.
Wäre vielleicht ein bisschen zu krass, oder? Und war das wirklich die Botschaft, die sie ihm schicken wollte?
Ihre Wut lieà langsam nach. Musste nachlassen, denn ein neuer Anfang mit Wut im Bauch konnte nicht gelingen. Aber ihre Wut war noch nicht so weit abgeebbt, dass sie es fertigbrachte, diesen verdammten Kuchen zu bemalen, als sei alles ganz normal. Als sei das alles nicht passiert.
Aber irgendwann tat sie es dann doch.
Als Edith genug davon hatte, in ihrem Schmollen komplett ignoriert zu werden, ging sie nach Hause. Nancy lieà sich relativ einfach mit einer ausgiebigen Streicheleinheit und etwas Welpenmilch besänftigen. Dann versuchte Hanny zu arbeiten.
Doch mit jedem Pinselstrich musste sie an den weiÃen Zuckerguss denken. Er rief förmlich nach ihr.
SchlieÃlich gab sie sich einen Ruck und holte frische Pinsel und die Lebensmittelfarben. Was sollte sie malen? Den Weihnachtsmann? Ja, das wäre gut. Einen dicken, fröhlichen Weihnachtsmann. Wenn sie ihn nicht mehr sehen wollte, konnte sie ihm ja jederzeit die Kehle durchschneiden und seinen Kopf essen.
Hanny fing an zu malen.
Vier Stunden später betrachtete sie ihr Werk. Aus einem schlichten Weihnachtsmann war eine ziemlich gute Nachbildung des Triptychons von der Versuchung des Heiligen Antonius von Hieronymus Bosch geworden, mit einem Antonius, der Bastian verdammt ähnlich und überdies sichtlich erstaunt war, in diesem Chaos den Weihnachtsmann zu sehen. Der wiederum dem Teufel verdammt ähnlich war.
»Lieber Teufel Weihnachtsmann«, sagte Hanny laut und stieà ein irgendwie diabolisches Lachen aus. Dann malte sie noch ein paar blutrünstig aussehende Rentiere in das Gewirr. Und schlieÃlich ihr Gesicht auf einen verdrehten, nur aus Haut und Knochen bestehenden Körper. Ach ja, und Oliver als einen weiteren Teufel. Am Schluss, einfach nur, weil sie es lustig fand, fügte sie noch die Klavier spielende Edith in den Hintergrund ein.
Mit einem seltsamen Gefühl des Stolzes beendete sie ihr Werk. Grinsend zog sie sogar in Erwägung, es für den Turner-Preis vorzuschlagen und fünfzigtausend Pfund zu gewinnen.
Der Kuchen sah unglaublich lecker aus, und sein Duft bereitete nun nicht mehr nur Nancy süÃe Qualen. Auch Hanny konnte das köstliche Aroma von Brandy, Trockenfrüchten und Mandeln nicht mehr ignorieren.
Und dann dämmerte ihr etwas.
Dieses Jahr war nicht wie alle anderen Jahre. Dieses Jahr war keiner da, der sie ermahnen konnte, den Kuchen erst an Weihnachten anzuschneiden. Sie konnte tun und lassen, was sie wollte. Wenn sie ihn jetzt essen wollte, dann konnte sie das verdammt noch mal auch tun! Sie hatte schon immer davon geträumt, mal mit einem riesigen Löffel einem riesigen Kuchen zu Leibe zu rücken. Was hielt sie zurück? Nichts.
Gott sei Dank nichts.
Leider nichts.
Eine seltsame Entschlossenheit bemächtigte sich ihrer. Hanny riss eine der Küchenschubladen so heftig auf, dass diese ganz herausrutschte und zu Boden fiel. Sie hob den gröÃten Metalllöffel auf, hielt ihn in die Sonne und lieà ihn in ihrer Hand aufblitzen wie eine Klinge. Dann wandte sie sich der Opfergabe zu: dem Christmas Cake.
Sie stand einen Augenblick einfach nur da und betrachtete ihr Werk.
Es war ein Kunstwerk. Ein Meisterwerk des Wahnsinns.
Ehrlich gesagt: Je schneller sie es verzehrte, desto besser. Sie hob den Löffel an und hieb ihn gnadenlos in den Kuchen.
Die Glasur splitterte. Ein Riss wanderte immer weiter, wie in einem Katastrophenfilm, bei dem StraÃen aufreiÃen und Menschen und Autos in den entstandenen Erdspalten verschwinden. Der teuflische Weihnachtsmann wurde zweigeteilt, und dann versuchte Hanny, den mit dunklem Früchtekuchen, Marzipan und Glasur völlig überladenen Riesenlöffel in den Mund zu bugsieren.
Es war hoffnungslos. Der Löffel allein war schon viel zu groà für ihren Mund. Doch sie wollte nicht aufgeben, lieà den Löffel Löffel sein, brach mit den Fingern ein groÃes Stück heraus und stopfte es sich in den Mund.
Hmmmmm. Köstlichst!
Drei groÃe Stücke verputzte sie in schneller Folge, nur unterbrochen von einer Blitzfütterung mit Zuckerguss, die Nancys Qualen ein Ende bereitete.
Zum Abschluss dieser Fressorgie brach sie die Fratze des Weihnachtsmannes heraus. Sie kaute sie schnell und schluckte sie mit Mühe herunter, weil sie
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