Kanonendonner über der Adria
mit der Nachricht, die Schiffbrüchigen seien fast erreicht. David rückte sich die Uniform zurecht und ging mit Larry an Deck.
Auf dem umgeschlagenen Boot waren ein Dutzend Leute. Mittelpunkt der Gruppe war eine ältere Dame, die von einer jungen Frau und einem jungen Mann gestützte wurde. Eine andere Frau war wie eine Zofe gekleidet. Die anderen waren Ruderer.
David ließ Frederick benachrichtigen, dass er einen Kaffee zubereiten möge, und sah der Bergung zu. Für die drei Damen wurde der Bootsmannsstuhl vorbereitet. Die Männer konnten alle selbst an Bord steigen. David begab sich an die Stelle, wo der Bootsmannsstuhl die Damen absetzen würde, und begrüßte zunächst die ältere Dame.
»Ich bin Sir David Winter, Admiral Seiner Britischen Majestät. Ich freue mich, dass wir Sie aus dieser misslichen Lage befreien konnte. Sobald die Damen Ihrer Begleitung an Deck sind, werde ich Sie in meine Kajüte bitten.«
Er gab dem Dolmetscher ein Zeichen und der wollte die Begrüßung auf Italienisch wiederholen, aber die Dame winkte ab. »Nicht nötig. Ich spreche Ihre Sprache noch recht gut, Sir David. Ich bin Gräfin Angela Bernia, dort kommt meine Tochter Sophia und über die Reling klettert gerade mein Sohn Silvio. In unser aller Namen danke ich Ihnen für die Rettung aus Lebensgefahr. Eine unerwartete Windbö hat unser Boot umgeworfen. Meine Kinder hatten mich aus Bacoli abgeholt, wo ich zwei Wochen meine Schwester besuchte, und wir wollten zurück nach Sorrento.«
David bat die Gräfin und ihre Kinder in seine Kajüte und forderte Kapitän Markwood auf, mit ihnen eine Tasse Kaffee zu trinken, sobald die anderen Personen versorgt seien.
David stellte Kapitän Markwood vor und sie tranken alle den Kaffee. Auf Davids Befragen erklärte die Gräfin ihre Sprachkenntnisse damit, dass sie eine englische Gouvernante gehabt habe.
»Ich kenne Sie übrigens, Herr Admiral, wie mir inzwischen einfiel. Es war im Herbst neunundneunzig bei einem Ball zu Ehren des russischen Admirals Ushakow in Messina. Ich erinnere mich darum noch genau, weil sie oft mit der von allen Frauen wegen ihrer Schönheit so beneideten Comtessa Maria Charlotta di Teveri tanzten. Sie hat später den Prinzen Reabandini, sehr reich und sehr alt, geheiratet, der letzten November starb.«
David hatte ihre Worte seit der Erwähnung des Namens Maria Charlotta wie in Trance wahrgenommen. Maria Charlotta und die Liebesnacht in Palermo! Das Wiedersehen drei Jahre später, als er mit Britta in Rom war und keiner ein Zeichen des Wiedererkennens verriet. Er hatte lange nicht mehr daran gedacht, aber nun war es wieder wach: die Leidenschaft, das Verlangen und die Schuld.
»Sie wussten nichts vom Tod des Prinzen?«, plauderte die Gräfin. »Natürlich nicht, Sie waren ja auf See. Die Witwe lebt zurückgezogen mit ihrem Sohn auf den großen Gütern zu beiden Seiten der Adria.«
David bestätigte, dass er nichts über die Familie Reabandini wusste. Um von dem Thema abzulenken, fragte er, wie die gräfliche Familie nun in Murats Königreich lebe.
»Ja, wir waren geflohen, als der Pöbel den Adel vertrieb und die parthenopäische Republik ausrief. Aber dann wurde das Königreich restauriert und wir kehrten zurück, um unseren Anspruch auf unsere Ländereien durchzusetzen. Wir haben uns arrangiert, Sir David. Der Parvenue Murat ist zu ertragen. Er will jetzt nicht in den Niedergang Napoleons hineingezogen werden und verhandelt heimlich mit England, obwohl er Napoleons Schwiegersohn ist und ihm die Krone verdankt. Aber es gibt viel Feindschaft zwischen den neapolitanischen Familien, die nach der Restauration zurückgingen und jenen, die auch danach auf Sizilien blieben.«
Alberto erschien mit einer Schale Kekse in der Tür. David war nicht verwundert, als er sich dann über ihn beugte und ihm ins Ohr flüsterte. Alberto ging und David sah den Sohn der Gräfin prüfend an.
»Sir David«, bat die Gräfin. »Darf ich Sie bitte einen Augenblick allein sprechen?«
»Natürlich«, sagte David und ging mit der Gräfin in die Kartenkammer.
»Sie haben soeben erfahren, Sir David, dass mein Sohn Rittmeister in Murats Leibgarde ist«, stellte sie fest.
»Ja, Gräfin«, bestätigte David.
»Wir sind keine Parteigänger Murats, Sir David. Wir sind nur angepasst. Sie mögen das feige finden, aber es ist in diesem Land sehr schwer, tapfer zu sein. Sie müssen einen potenziellen Kämpfer gegen England Ihren Behörden ausliefern, das weiß ich. Aber mein Sohn würde eine
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