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Kanonendonner über der Adria

Titel: Kanonendonner über der Adria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Adam
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abgestandenes Aufwischwasser. Aber es war nass.
    »So und nun antworte!«, befahl Labasse drohend.
    Gleich kommt der furchtbare Schlag, dachte David. Aber seine Folterer beschäftigte etwas anderes.
    »Das waren Kutschen und Reiter«, sagte einer.
    »Sieh nach, ob der General schon zurück ist!«, ordnete Labasse an.
    Der Schläger kam zurück. Es war der General. Sie schienen verwandelt. Sie brachten eine Waschschüssel, rieben sein Gesicht, trockneten es ab. Sie richteten seine Haare und lösten die Fesseln, damit er sich die Hände waschen konnte. Auf seine Bitten hin durfte er auf die Toilette und konnte sich selbst die Hosen öffnen. Er hatte Blut im Urin. Aber es ließ ihn seltsam unberührt. Das spielte nun auch keine Rolle mehr.
    In seinem großen Arbeitszimmer ließ sich der französische General auf seinen Schreibtischstuhl sinken und fragte den Adjutanten: »Ist etwas Wichtiges unter all diesen Meldungen? Kriegen wir vielleicht einmal die Truppen, die wir brauchen?«
    Der Adjutant lächelte gequält. »Mon général, der Geheimdienst hat den britischen Admiral in eine Falle gelockt und hält ihn unten im Kerker gefangen. Mit Ihrer Einwilligung wollen sie ihn nach Triest bringen. Es soll ein gefährlicher Kerl sein.«
    »Wie heißt er denn?«
    »Sir David Winter, mon général.«
    Der Adjutant merkte nicht, dass es den General wie ein Kolbenschlag getroffen hatte.
    »Winter, das ist doch unser Wort ›l'hiver‹ nicht wahr?«, fragte er äußerlich ganz unbeteiligt.
    »Aber ja, mon général. Man wird ihn oft mit Sommer und Frühling geneckt haben.«
    »Nun gut«, sagte der General. »Ich will ihn sehen. Sorgen Sie dafür, dass ich allein mit ihm sprechen kann. Mein Diener Henri soll draußen an der Tür warten. Halten Sie mir diesen schrecklichen Labasse vom Leibe.«
    Als der Adjutant gegangen war, saß der General wie gelähmt da. Mein Gott, David Winter, der britische Kapitän, mit dem er an der Küste der Vendée gemeinsam gegen die Königsmörder gekämpft hatte, der seine Frau und seine Tochter nach England in Sicherheit gebracht und ihn immer fair und zuverlässig unterstützt hatte. Dieser gute Freund war in den Händen des Unmenschen Labasse. Er musste ihn retten. Aber wie?
    Er läutete nach seinem Diener und sprach mit ihm leise und hastig. Der Diener sagte abschließend: »Das ist unsere Christenpflicht, Herr Graf. Verlassen Sie sich auf mich.«
    Es klopfte an der Tür, und der Adjutant meldete: »Der britische Admiral Sir David Winter, mon général .«
    Lejeune hatte sich abgewandt. »Danke. Setzen Sie den Admiral auf einen Stuhl und lösen Sie die Fesseln, Hauptmann.«
    »Die Fesseln, mon général?«
    »Ich sagte es. Lassen Sie uns dann bitte allein. Henri ist doch vor der Tür?«
    »Ja, mon général«, antwortete der Adjutant und verschwand. Jetzt erst wandte sich Graf Lejeune um.
    »David Winter, mein alter Freund. So sehen wir uns nach zwanzig Jahren wieder.« Er breitete die Arme aus und ging auf David zu.
    Der reagierte nicht. Jetzt habe ich Halluzinationen, dachte er. Aber das Phantom sprach ja auch. Er schüttelte den Kopf und riss die Augen auf. Sein Körper zitterte vor Anstrengung und gehorchte ihm doch nicht. »Graf Lejeune«, keuchte er und Tränen schossen ihm in die Augen.
    »Ja, ich bin es, lieber Freund«, sagte Lejeune und fasste ihn an den Schultern. »Hat man Sie misshandelt?«
    David nickte. Sein Mund war ausgedörrt.
    »Henri!«, rief der Graf. Als dieser die Tür öffnete, befahl er: »Klares Wasser mit einem Schuss Kognak. Schnell.«
    Henri kam gleich mit einem Tablett und einem Glas herbeigeeilt. Lejeune nahm das Glas und setzte es vorsichtig an Davids Mund. Der trank, bis das Glas leer war. »Mehr«, bat er.
    Henri brachte das nächste Glas, auch das trank David zur Hälfte aus. »Danke, Graf«, sagte er leise.
    Lejeune zeigte auf seinen Diener. »Sie werden sich nicht an ihn erinnern. Er war damals zehn Jahre alt und war unser Melder. Er kam immer durch. Seitdem ist er bei mir und ist mir wie ein Sohn ans Herz gewachsen. Vertrauen Sie ihm wie mir.«
    David reichte Henri die Hand und lächelte ihn an. Dann verschwand Henri.
    »Sir David, wir haben nur wenig Zeit«, flüsterte Lejeune. »Ich werde Sie befreien, aber man darf mich damit nicht in Verbindung bringen. Als Bonaparte die Amnestie für die Vendée erließ, bin ich mit meiner Familie auf die Güter zurückgekehrt. Als er Ordnung im Land schuf und dem Adel wieder Rechte gab, trat ich in die Armee ein. Ich habe

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