Kanonenfutter
Plymouth waren, habe ich von den jüngsten Erfolgen Ihres Bruders gelesen. Er stellte und tötete einen Rebell, der nach Amerika fliehen wollte, einen Mann von hohem Ansehen, der sich aber als ebenso verderbt erwies wie der gemeinste Verräter.« 11 Bolitho erwiderte ruhig: »Aye, Sir. Ich war dabei.«
»Tatsächlich?« Dumaresq kicherte in sich hinein. »Davon war in der Gazette aber nichts erwähnt. Ihr Bruder wollte wohl den ganzen Ruhm für sich allein?«
Er wandte sich ab, bevor Bolitho fragen konnte, was für eine Ve rbindung – wenn überhaupt – es gab zwischen ihrem Scharmützel im englischen Kanal und dem mysteriösen Piers Garrick.
Dumaresq verkündete: »Ich werde jetzt mit Mr. Egmont Karten spielen. Der Doktor hat ihn als seinen Partner akzeptiert, und ich we rde unseren tapferen Mr. Colpoys als meinen wählen.« Er schüttelte sich vor Lachen. »Wir könnten ja eine von Egmonts Geldkassetten leeren, bevor wir vor Basseterre ankern.«
Bolitho seufzte und ging langsam an die Querreling. In einer halben Stunde war Wachwechsel: ein paar Worte mit Rhodes und dann hinunter in die Messe.
Er hörte Yeames, den Steuermannsmaat der Wache, ungewöhnlich höflich murmeln: »Hallo, guten Abend, meine Damen!«
Bolitho fuhr herum, und sein Herz begann zu pochen, als er Aurora vorsichtig und bei ihrer Zofe eingehakt an die Leereling des Achterdecks treten sah.
Er bemerkte, daß sie zögerte, und wußte nicht, was er tun sollte.
»Lassen Sie mich Ihnen helfen«, sagte er schließlich, überquerte das Deck und ergriff ihre ausgestreckte Hand. Durch den Handschuh fühlte er die Wärme ihrer Finger, das zarte Gelenk.
»Kommen Sie auf die Luvseite, Madam. Da spritzt es nicht so, und der Ausblick ist besser.«
Sie leistete keinen Widerstand, als er sie das schräge Deck hinauf zur anderen Seite geleitete. Dann zog er sein Taschentuch und wickelte es um das Hängemattsnetz. So gelassen wie möglich erklärte er ihr, daß dies zum Schutz ihres Handschuhs vor Teer und anderen Verunreinigungen geschehe.
Sie stand nahe an den Netzen und blickte über das dunkle Wasser in die Ferne. Bolitho roch ihr Parfüm und spürte ihre verwirrende Nähe. Schließlich sagte sie: »Eine lange Reise bis zur Insel Saint Christopher, nicht wahr?« Sie wandte sich um und schaute ihn an, aber ihre Augen lagen im Dunkeln.
»Wir werden über zwei Wochen brauchen, meint Mr. Gulliver, Madam. Es sind gut dreitausend Meilen.«
Er sah ihre Zähne in der Dunkelheit leuchten, wußte aber nicht, ob das Lächeln Bestürzung oder Ungeduld mit einschloß.
»Über dreitausend Meilen, Leutnant?« Dann nickte sie. »Ich verstehe.«
Durch das offene Skylight hörte Bolitho Dumaresqs kehliges Lachen und Colpoys Erwiderung. Sie waren zweifellos beim Kartenausteilen. Auch Aurora hatte es gehört und sagte schnell zu ihrer Zofe: »Du kannst uns verlassen. Das war ein schwerer Tag für dich.«
Sie folgte dem Mädchen mit den Blicken, als es sich zum Niedergang tastete, und fügte für Bolitho hinzu: »Sie war ihr Leben lang nur auf festem Boden. Das Schiff muß ihr sehr fremd sein.«
Bolitho fragte: »Was haben Sie vor? Wo werden Sie nach allem, was geschah, Sicherheit finden?«
Sie neigte den Kopf, als Dumaresq wieder laut lachte. »Das hängt von ih m ab.« Sie sah an Bolitho vorbei, und ihre Augen schimmerten wie die Gischt, als sie fragte: »Ist es Ihnen denn so wichtig?«
»Das wissen Sie doch. Ich mache mir schreckliche Sorgen.«
»Wirklich?« Mit der freien Hand ergriff sie seinen Arm. »Sie sind ein lieber Junge.« Als sie fühlte, daß er erstarrte, setzte sie sanft hinzu: »Ich bitte um Entschuldigung. Sie sind kein Junge, sondern ein Mann, das haben Ihre Taten bewiesen, als ich dachte, daß ich sterben müßte.« Bolitho lächelte. »Ich bin es, der um Entschuldigung bitten muß. Weil ich so gern möchte, daß Sie mich mögen, benehme ich mich wie ein Narr.«
Sie drehte sich um und trat näher, um ihn anzuschauen. »Sie meinen es ehrlich, das weiß ich.«
»Wären Sie nur in Rio geblieben!« Bolitho marterte sich das Hirn, wie er ihr helfen könnte. »Mr. Egmont hätte Ihr Leben nicht aufs Spiel setzen dürfen.«
Sie schüttelte den Kopf, und die Bewegung ihrer tanzenden Haare stach Bolitho wie ein Dolch ins Herz.
»Er war immer gut zu mir. Ohne ihn wäre ich schon vor langer Zeit verloren gewesen. Ich habe spanisches Blut. Als meine Eltern starben, wollte man mich einem portugiesischen Händler als Ehefrau verkaufen.« Sie
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