Kanonenfutter
icher. »Ich weiß, wie es ist, wenn man sich in einen Traum verrennt. Mehr konnte es nicht sein. Sie sind Offizier des Königs und mögen sich sogar zu einem guten Offizier entwickeln, wenn mit der Zeit etwas Verstand hinzukommt.«
Bolitho schaute über Dumaresq hinweg auf die draußen vor Anker liegenden Schiffe; er überlegte, auf welchem Aurora sein mochte.
Er fragte: »Ist das alles, Sir?«
»Ja. Übernehmen Sie wieder Ihre Division. Ich will Anker lichten, sobald dieser Federfuchser Kopien meines Berichts für die örtlichen Autoritäten und für London fertiggestellt hat.« In Gedanken war er schon wieder bei den hundert anderen Dingen, die er noch erledigen mußte.
Bolitho stolperte aus der Kajüte in die Messe. Es war ihm zu schmerzlich, sich vorzustellen, wie diese Kajüte noch vor kurzem ausgesehen hatte: mit ihren Kleidern, die ordentlich zum Trocknen aufgehängt waren, mit der jungen Zofe, die sich immer in der Nähe hielt für den Fall, daß sie gebraucht wurde. Vielleicht war die Methode, die Dumaresq anwandte, richtig, aber mußte er so brutal und gefühllos sein?
Rhodes und Colpoys erhoben sich, um ihn zu begrüßen, und sie schüttelten einander feierlich die Hände.
Bolitho berührte das Stückchen Papier in seiner Tasche und fühlte sich stärker. Was Dumaresq und die anderen auch denken mochten, sie konnten nicht wissen, wie schön es wirklich gewesen war.
Bulkley trat in die Messe, sah Bolitho und wollte ihn gerade fragen, welche Fortschritte seine Wunde machte; doch Rhodes schüttelte leicht den Kopf, und so rief der Arzt nur nach Poad und bat um eine Tasse Kaffee.
Bolitho würde darüber hinwegkommen. Aber es mochte einige Zeit dauern.
»Anker ist los, Sir!«
Dumaresq trat an die Reling und schaute hinüber zum Spanier, wä hrend die Destin y mit von der frischen Brise geblähten Segeln der offenen See zustrebte.
Er sagte: »Das wird den Don ärgern. Seine halbe Besatzung ist an Land, um Vorräte zu ergänzen, also kann er uns erst in einigen Stunden folgen.« Er warf den Kopf zurück und lachte. »Hol dich der Te ufel, Garrick! Genieße noch dein bißchen Freiheit!«
Bolitho beobachtete, wie seine Leute das Broßbramsegel setzten und einander derbe Scherzworte zuriefen, als wären auch sie von Dumaresqs Erregung angesteckt. Aussicht auf Tod, Prisengeld, ein neues Land – alles war für sie Anlaß zur Fröhlichkeit.
Palliser rief vom Achterdeck: »Bringen Sie die Leute auf Trab, Mr. Bolitho, die haben heute ja Blei in den Knoche n.«
Bolitho wandte sich nach achtern und hatte schon eine ärgerliche Antwort auf der Zunge. Aber dann zuckte er die Schultern. Palliser wollte ihm auf die einzige Art helfen, die er beherrschte.
Nachdem sie die gefährlichen Untiefen von Bluff Point umfahren hatten, setzte die Destiny weitere Segel und nahm Kurs nach Westen. Später, als Bolitho die Nachmittagswache übernahm, studierte er die Karte und Gullivers sorgfältig eingetragene Berechnungen.
Fougeaux Island war sehr klein und gehörte zu einer weitverstreuten Inselgruppe, gut 150 Meilen westnordwestlich von St. Christopher. Es war nacheinander von Frankreich, Spanien und England beansprucht worden, selbst die Holländer hatten sich eine Zeitlang dafür interessiert.
Jetzt war es keinem Land Untertan, denn allem Anschein nach gab es da nichts zu holen. Es fehlte an Bäumen für Bauund Brennholz, und es mangelte laut Seehandbuch sogar an Trinkwasser. Ein kahles, feindliches Stück Land mit einer sichelförmigen Lagune als einzigem Vorzug. Sie konnte Schutz bei Sturm bieten, aber kaum mehr. Doch, wie Dumaresq bemerkt hatte, was verlangte Garrick auch sonst?
Bolitho beobachtete den Kommandanten, der so ruhelos an Deck auf und ab ging, als hielte er es in seinen Räumen nicht mehr aus, seit das Ziel so nahe lag. Gegenwind erschwerte ihr Vorwärtskommen und zwang das Schiff zu langen Kreuzschlägen, bei denen sie der Insel nur wenig näher kamen.
Aber die Aussicht, zumindest einen Teil des verlorenen Goldes zu finden, ließ sie die knochenbrechende Arbeit bei den dauernden We ndemanövern, das Durchholen der Brassen und das immer wieder neue Trimmen der Segel vergessen.
Wenn die Insel nun leer war oder gar nicht die richtige? Bolitho glaubte es nicht. Aurora mußte gewußt haben, daß nur Garricks Gefangennahme sie und ihren Mann vor seiner Rache schützen konnte. Und auch, daß Dumaresq sie ohne diese Information nie freigelassen hätte.
Am nächsten Tag dümpelte die Destin y mit schlappen
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