Kantaki 01 - Diamant
Sekunden lang betrachteten sie schweigend das Glühen der kognitiven Kristalle, beide von einem sonnenartigen Licht umkreist, das die Diamanten funkeln ließ.
»Sie sind noch immer miteinander verbunden«, sagte Valdorian. » Wir sind noch immer miteinander verbunden.«
»Sind wir das?« Lidia ließ ihren Diamanten wieder verschwinden und drehte sich zum breiten Panoramafenster um. Valdorian steckte seinen Zwillingskristall ebenfalls ein, trat an Lidias Seite vor dem Fenster und hörte dabei das ätherische Flüstern der beiden semivitalen Diamanten.
Die Wasserwelt Aidon schien mit dem Glitzern der Diamanten wetteifern und es übertreffen zu wollen. Zwei Asteroiden drifteten vorbei, sanft abgelenkt von Kraftfeldern; im Licht des Roten Riesen wirkten sie wie zwei Blutstropfen im All.
»Wir könnten es sein«, sagte Valdorian. »Es ist noch nicht zu spät.«
Er sah nicht den Wasserplaneten und seine Ringe jenseits des Fensters, sondern Lidias Spiegelbild und sein eigenes in der transparenten Stahlkeramik. So dicht neben ihr zu stehen … Er begehrte sie. Er wollte sie, hier und jetzt. Er wollte, dass sie endlich einsah, dass sie sich vor zwei Jahren geirrt und die falsche Entscheidung getroffen hatte. Er wollte, dass sie sich für das Leid entschuldigte, das sie ihm beschert hatte.
»Ach, Dorian …«, sagte Lidia leise, und es klang wie ein Seufzen. »Wir waren im Transraum unterwegs, als ich die Stimme des Diamanten hörte. Daraufhin bat ich Mutter Krir, den Transit hier zu unterbrechen. Ich habe nicht viel Zeit. Ich … wollte einfach nur die Gelegenheit nutzen, Sie wiederzusehen.«
Valdorian versuchte, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Lidia war nicht gekommen, um sich zu entschuldigen. Sie hatte nicht eingesehen, dass sie die falsche Entscheidung getroffen hatte. »Es ist noch nicht zu spät«, wiederholte er hilflos. »Sie können es sich anders überlegen.«
Daraufhin wandte sie sich ihm zu und musterte ihn mit einer Intensität, die sein inneres Gleichgewicht erschütterte.
»Ich habe meinen Weg vor fast zweieinhalb Jahren gewählt und bin zufrieden damit, Dorian.«
Valdorian sah sie groß an. »Aber …«
»Haben Sie geglaubt, ich kehre reumütig zu Ihnen zurück, um Abbitte zu leisten für meinen Fehler?« Leiser, sanfter Spott erklang in dieser Frage.
»Nein«, log Valdorian. »Nein, ich …«
Lidia griff nach seiner Hand, drückte sie kurz und ließ dann wieder los. Sie hatte sich verändert, spürte Valdorian, nicht äußerlich, sondern in ihrem Inneren. Sie war noch reifer geworden, ruhte noch mehr in sich selbst. Und sie rückte noch weiter von ihm fort.
»Ein Leben wie das Ihre könnte ich nie führen, Dorian.«
»Es ist ein Leben ohne Kompromisse.«
»Glauben Sie? Auch Sie sind an Regeln gebunden. Es sind nur andere als die, nach denen sich die vielen Menschen unter euch Magnaten richten müssen.«
»Ich könnte Ihnen jeden Wunsch erfüllen …«
»Es geht mir nicht um Dinge, Dorian, begreifen Sie das denn nicht? Es geht mir auch nicht um Macht. « Lidia deutete aus dem Panoramafenster. Ihre Geste galt nicht den Werften, nicht Aidons Ringen und auch nicht der Wasserwelt, sondern den Sternen jenseits davon. »Was sind wir im Vergleich mit dem, was sich dort draußen befindet, Dorian? Milliarden von Sternen, Millionen von Welten, allein in dieser Galaxis. Welche Bedeutung hat eine Person, ein Planet oder das ganze Konsortium in einer solchen Größenordnung? Ich möchte staunen. Ich möchte Neues sehen und entdecken, immer wieder. Ich möchte lernen und wachsen. Erinnern Sie sich, dass ich den Wunsch erwähnt habe, die Ewigkeit zu berühren? Ich bin erst seit zwei Jahren Pilotin der Kantaki, und manchmal habe ich tatsächlich das Gefühl, die Ewigkeit berühren zu können. Wir stehen außerhalb des Zeitstroms und sind überall in der Galaxis unterwegs. Eine von uns, eine Pilotin namens Esmeralda, soll seit sechshundert Jahren Kantaki-Schiffe fliegen, in den Magellanschen Wolken und sogar bei den intergalaktischen Sprungbrettern gewesen sein. Ich habe gerade erst mit diesem neuen Leben begonnen und möchte es fortsetzen.«
Lidias Blick glitt zu Valdorian zurück. »Darum geht es letztendlich. Um Zufriedenheit und Erfüllung. Jeder von uns versucht – oder sollte versuchen –, möglichst viel aus seinem Leben zu machen. Sie glauben, frei zu sein, Dorian, aber Sie tragen weitaus mehr Fesseln als ich.«
»Das ist doch Unsinn!«, entfuhr es Valdorian. Zorn entflammte in
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